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WSI zieht Tarifbilanz 2015:: Tarifabschlüsse im Schnitt bei knapp 3 Prozent

16.12.2015

Die Tarifabschlüsse 2015 sahen in den meisten Branchen für dieses Jahr Tarifsteigerungen zwischen 2,0 und 3,5 Prozent vor, mit einem Schwerpunkt zwischen 2,5 und 3,0 Prozent. In den länger laufenden Abschlüssen, die auch Anhebungen für 2016 vorsehen, bewegen sich die Steigerungsraten für das kommende Jahr überwiegend zwischen 1,5 und knapp 3,0 Prozent. Dazu einige Beispiele:

  • In der Metall- und Elektroindustrie erreichte die IG Metall neben einer Pauschalzahlung von 150 Euro für drei Monate eine Tariferhöhung von 3,4 Prozent ab April 2015 bei einer Laufzeit von insgesamt 15 Monaten.
  • In der chemischen Industrie setzte die IG BCE nach einem Nullmonat eine Tariferhöhung von 2,8 Prozent bei einer Laufzeit von 17 Monaten durch.
  • Im öffentlichen Dienst (Länder ohne Hessen) erhöhten sich die Tarifverdienste nach zwei Nullmonaten um 2,1 Prozent ab März dieses Jahres und um weitere 2,3 Prozent (mindestens 75 Euro) ab März nächsten Jahres bei einer Laufzeit von zwei Jahren.
  • Im Versicherungsgewerbe vereinbarte ver.di nach fünf Nullmonaten eine Tariferhöhung von 2,4 Prozent ab September 2015 und weitere 2,1 Prozent ab Oktober 2016 bei einer zweijährigen Laufzeit. Außerdem gibt es Einmalzahlungen für die beiden untersten Entgeltgruppen.
  • Bei der Deutschen Bahn AG erreichte die EVG eine Pauschalzahlung von 1.100 Euro für 11 Monate sowie 3,5 Prozent, mindestens 80 Euro, ab Juli 2015 und weitere 1,6 Prozent, mindestens 40 Euro, ab Mai 2016, bei 26 Monaten Laufzeit.
  • Im Einzelhandel einigten sich die Tarifparteien auf eine Anhebung der Tarife nach drei Nullmonaten um 2,5 Prozent in diesem Jahr und weiteren 2,0 Prozent im kommenden Jahr bei einer Laufzeit von zwei Jahren.

Das zeigt die Tarifbilanz des WSI-Tarifarchivs der Hans-Böckler-Stiftung. Der Anstieg der Verbraucherpreise bleibt in diesem Jahr mit rund 0,2 Prozent extrem niedrig. „Auf das ganze Jahr 2015 gerechnet ist daher mit einer realen Steigerung der Tarifverdienste von deutlich über zwei Prozent zu rechnen“, sagt WSI-Tarifexperte Dr. Reinhard Bispinck.

Das Tarifjahr 2015 wurde auch durch teils harte Tarifkonflikte zu besonderen Themen geprägt:

Deutsche Bahn AG: Der seit dem Sommer 2014 anhaltende Tarifkonflikt zwischen der DB AG und den beiden Gewerkschaften EVG und GDL um materielle Tarifforderungen und insbesondere um die Frage, für welche Beschäftigtengruppen die GDL eigenständig verhandeln kann, konnte 2015 in zwei Stufen gelöst werden. Die EVG vereinbarte am 27.5. neben den oben genannten monetären Regelungen auch Tarifregelungen zur Arbeitszeit und zum Thema Arbeit 4.0. sowie erstmals wieder einen Tarifvertrag für EVG-Lokomotivführer. Die GDL übernahm am 30.06. nach zahlreichen Streikmaßnahmen und einer Schlichtung das materielle Ergebnis des EVG-Abschlusses. Der Abschluss umfasste darüber hinaus einen Bundesrahmentarifvertrag für das GDL-Zugpersonal, eine Garantie für die GDL als Tarifpartner der DB AG bis 2020 sowie ein neues Schlichtungsverfahren. Damit sind EVG und GDL nach sechs Jahren einer vereinbarten Aufteilung der Zuständigkeiten künftig im Bereich der Lokomotivführer und (neu) des Zugpersonals parallel als Tarifvertragsparteien aktiv.

Sozial- und Erziehungsdienst: Ver.di forderte für die Beschäftigten eine grundlegende Aufwertung durch höhere Eingruppierung mit Einkommensverbesserungen von durchschnittlich 10,0 Prozent. Nach Warnstreiks und rund vierwöchigem unbefristeten Streik wurde in einem Schlichtungsverfahren Ende Juni eine Einigungsempfehlung vorgelegt, welche allerdings in einer Mitgliederbefragung von rund 69 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder abgelehnt wurde. Nach der Sommerpause brachten neue Verhandlungen Verbesserungen des Schlichterspruches. Diese wurden dann in einer Urabstimmung von 57 Prozent der ver.di-Mitglieder und 72 Prozent der GEW-Mitglieder angenommen. Ver.di beziffert die erzielte Erhöhung der Entgelte auf durchschnittlich 3,7 Prozent.

Deutsche Post AG: Konfliktgegenstand war die Gründung von 49 regionalen DHL Delivery GmbHs mit deutlich schlechteren Tarifbedingungen. Darin sah ver.di einen Verstoß gegen bestehende tarifliche Regelungen zur Begrenzung der Fremdvergabe von Zustellbezirken. Um konfliktfähig zu werden, kündigte ver.di im März die tariflichen Arbeitszeitregelungen und forderte eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit. Später kam die Forderung einer regulären Entgelterhöhung hinzu. Nach mehrwöchigen Streiks handelten die Tarifparteien ein umfassendes Paket u. a. mit Regelungen zur Beschäftigungssicherung bis Ende 2019 sowie einem Ausschluss der Fremdvergabe in der Brief- und Verbundzustellung bis Ende 2018 aus. Die DHL Delivery GmbHs mit ihren niedrigeren Tarifstandards bleiben bestehen. Für rund 7.630 Paketzustellerinnen und Paketzustellern konnten allerdings die bisherigen Tarifbedingungen dauerhaft gesichert werden.

Berliner Charité: Bei diesem Tarifkonflikt ging es um die Durchsetzung von Regelungen zu Personalmindestbesetzung und um den Gesundheitsschutz. Dazu hatte es bereits seit 2012 Verhandlungen, Konflikte und Zwischenergebnisse gegeben. Im Juni 2015 führte ein unbefristeter Erzwingungsstreik nach wenigen Tagen zur Einigung auf ein Eckpunktepapier zu einem Tarifvertrag Gesundheit und Demographie, der in den kommenden Monaten verhandelt werden soll.

Besoldungsrunde 2015: Nach dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst der Länder folgte in einem Großteil der Länder eine inhaltsgleiche, allerdings nicht immer zeitgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten. Dies verhindert zumindest die weitere Abkopplung von der Entwicklung der Tariflöhne und führt somit zu einem etwas positiveren Ergebnis als noch 2013. Dennoch bleibt die Besoldung durch die teilweise sehr unterschiedliche Umsetzung in den einzelnen Ländern ein „Flickwerk“, das die Gewerkschaften auch in Zukunft weiter zu schließen versuchen werden.

Kontakt:

Dr. Reinhard Bispinck
Leiter WSI-Tarifarchiv

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

Die Pressemitteilung mit tabellarischer Übersicht (pdf)

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