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Magazin Mitbestimmung

Mein Arbeitsplatz: Teigtaschen für Fernfahrer

Ausgabe 10/2014

Zulfiya Ferschiewa, 33, ist Köchin in Atyrau im Süden Kasachstans in einer Fernfahrerherberge, die ihre Chefin Schaira betreibt. Die Stadt lebt vom Ölboom am Kaspischen Meer.

Atyrau, Fernstraße A28 nach Uralsk „Ich arbeite seit zwei Jahren bei Schaira. Ihr Motel hat keinen Namen und liegt am Kreisverkehr nach Uralsk und Astrachan. Die Fernfahrer kennen es. Schaira ist streng und schreit manchmal, dass sogar ich Angst bekomme. Die jüngeren Mädchen, die hier arbeiten, haben mehr Angst. Aber ich bin gerne hier. Ich verdiene besser als vorher. Und, das ist mir wichtig: Hier kann ich besser kochen, mir wird kaum reingeredet. Es ist inzwischen so, dass ich die Lebensmittel einkaufe. Ich bestimme, was es zu essen gibt. Ich bin eine gute Köchin. Die Fernfahrer, die hier übernachten, wissen das. Sie sind immer hungrig.

Ich arbeite bis zehn Uhr abends, oft länger. Dafür hab ich nachmittags frei. Mein Mann fährt Öl für die Amerikaner. Er wird gut bezahlt. Von seinem Monatsgehalt hätten seine Eltern früher ein Jahr gelebt. Aber es ist kein regelmäßiges Geld. Es hängt davon ab, wie viel er fährt. Er wird eingeteilt und gehört zu den Älteren, bekommt nicht mehr so viele Fahrten. Aber es reicht. Ich müsste nicht arbeiten. Aber ich will eigenes Geld. Wer weiß, was kommt? Wir haben zwei Schulkinder. Der Junge ist 14, das Mädchen zehn. Wir leben mit den Eltern meines Mannes im Haus, das uns gehört. Wir sind sozusagen reich. Aber trotzdem reicht das Geld nicht wirklich. Seit hier Öl gefördert wird, verändert sich das Leben. Die Preise steigen wie die Löhne.

Anfangs dachte ich, alles ändert sich zum Besseren. Inzwischen hab ich Sorgen. Das Verhalten der Kinder zum Beispiel: Ihre Gier ist mir fremd. Und wie sie mit den Großeltern umgehen, das hätten wir nie gewagt. Sie meckern sogar, wenn es Teigtaschen gibt. Also wirklich, Teigtaschen kann ich gut. Es kommt auf die Füllung an und auf den Teig. Alle denken, es geht nur um die Füllung. Falsch. Es ist ein Zusammenspiel von Teig und Füllung. Und wichtig ist die Einstellung, mit der man sie macht. Das versuche ich den Mädchen in Schairas Küche beizubringen. Aber die wollen es nicht verstehen. Wie meine Kinder.“

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