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HBS Böckler Impuls

Länderfinanzausgleich: Mehr Wettbewerb wäre schädlich

Ausgabe 14/2014

Der Länderfinanzausgleich steht unter Beschuss: Geberländer und einige Ökonomen wünschen sich mehr Konkurrenz statt Solidarität zwischen den Bundesländern. Das wahre Problem sind jedoch unzureichende Steuereinnahmen auf allen Ebenen.

Die finanziellen Beziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen werden neu verhandelt. Denn zusammen mit dem Solidarpakt II laufen 2019 die aktuellen Regelungen aus. Das dürfte diejenigen auf den Plan rufen, die „weg vom kooperativen Föderalismus“ und stattdessen „in Richtung eines Wettbewerbsföderalismus“ gehen wollen, fürchten Achim Truger und Dieter Vesper. Der Professor an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht und der Berliner Finanzexperte haben sich im Auftrag des IMK mit dem Finanzausgleich beschäftigt.Ihr Fazit: „Das deutsche System der föderalen Finanzbeziehungen und des Länderfinanzausgleichs ist durchaus effektiv und erfüllt wichtige fiskalische sowie verteilungs- und stabilisierungspolitische Funktionen.“ Was die Politik tatsächlich angehen müsse, sei die „strukturelle Unterfinanzierung der öffentlichen Haushalte“.

Der Länderfinanzausgleich sowie das ganze System des kooperativen Föderalismus, das auch Bund und Kommunen einschließt, soll die vom Grundgesetz geforderte „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ sicherstellen. Zunächst werden die Steuereinnahmen nach einem bestimmten Schlüssel auf die Verwaltungsebenen aufgeteilt. Von der Einkommensteuer gehen zum Beispiel je 42,5 Prozent an den Bund und das Land, die übrigen 15 Prozent überweist das Finanzamt an die Gemeinde. Damit stehen wirtschaftlich starke Landstriche besser da als strukturschwache. Um einen Ausgleich zu schaffen, wird im ersten Schritt ein Teil der Mehrwertsteuer zwischen den Ländern umverteilt. Außerdem müssen die reichsten Länder Zahlungen an die finanziell schwächeren leisten. Berücksichtigt wird neben der Wirtschaftskraft auch die Bevölkerungsdichte: Stadtstaaten und besonders dünn besiedelte Regionen erhalten je Einwohner etwas mehr. Ein ausgeklügeltes Berechnungssystem sorgt dafür, dass die Differenzen bei den Steuereinnahmen pro Einwohner verringert, aber nicht völlig eingeebnet werden. Im Ergebnis musste Bayern 2012 knapp 12 Prozent seiner Einnahmen abführen, behielt aber seine überdurchschnittliche Finanzkraft. In Baden-Württemberg und Hessen lagen die Werte bei 9 und 8 Prozent. Zusätzlich kann der Bund den Ländern mit Ergänzungszuweisungen unter die Arme greifen.

Kritiker des Finanzausgleichs monieren, das System setze falsche Anreize und beeinträchtige die Effizienz des Staates: Die Länder würden für wirtschaftsfreundliche Politik nicht belohnt, weil sie zusätzliche Steuereinnahmen abgeben müssten. Stattdessen sollten sie in einen Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen und Arbeitskräfte eintreten. Diese Argumentation halten Truger und Vesper jedoch für angreifbar. Sie sei weder theoretisch noch empirisch haltbar:

  • Erstens fuße das gedankliche Modell, das hinter dem föderalen Wettbewerb steht, nicht auf realistischen Annahmen. Tatsächlich sei nicht zu beobachten, dass Landes- und Kommunalpolitiker bei ihren Bemühungen um Unternehmen und Arbeitsplätze in erster Linie auf potenzielle Steuereinnahmen schauen – entsprechend gering dürfte die Wirkung veränderter Anreizstrukturen ausfallen.
  • Steuerwettbewerb kann, so Truger und Vesper, leicht zu einer destruktiven Konkurrenz zwischen Regionen ausarten. Am Ende müssten alle mit einer schlechteren öffentlichen Infrastruktur leben.
  • Das Grundgesetz sehe Wettbewerbsföderalismus zudem schlicht nicht vor. Nach Einschätzung der Wissenschaftler würde dieses Konzept den von der Verfassung vorgegebenen Staatsaufbau auf den Kopf stellen.
  • Auch die empirische Forschung spricht nicht für mehr Wettbewerb zwischen Ländern. Die Forscher zitieren eine internationale Studie, nach der „kein signifikanter Einfluss des Dezentralisierungsgrades auf das Wirtschaftswachstum“ nachweisbar ist. In Deutschland sei zu dem Thema insgesamt wenig empirisch geforscht worden, was angesichts der vehementen Debatte überrasche, so die Wissenschaftler.
  • Gesamtwirtschaftlich wirke der Finanzausgleich stabilisierend. Er hilft etwa, weltwirtschaftliche Schocks abzufedern, die besonders auf bestimmte Regionen durchschlagen.

Nach einer Analyse der Länderfinanzen kommen Truger und Vesper zu dem Schluss, dass es unbegründet sei, von einer „Überforderung“ der Geberländer zu sprechen. Zwar fehle es vielerorts an Geld. Dies sei jedoch keine Folge der föderalen Finanzbeziehungen, sondern der langjährigen Steuersenkungspolitik sowie des schwachen Wirtschafts- und Beschäftigungswachstums des vergangenen Jahrzehnts.

  • Ohne Finanzausgleich könnte von den im Grundgesetz geforderten "gleichwertigen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet" keine Rede sein. Zur Grafik

Achim Truger, Dieter Vesper: Zur Reform des Länderfinanzausgleichs – eine Notwendigkeit?, IMK Study 37, September 2014

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