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Magazin Mitbestimmung

Corporate Governance: Foul gegen den Aufsichtsrat

Ausgabe 07+08/2014

Der Vorschlag der EU-Kommission für eine neue Aktionärsrechterichtlinie würde die Rolle der mitbestimmten Aufsichtsräte zugunsten der Hauptversammlung aushöhlen. Von Sebastian Sick

Am 9. April hat die EU-Kommission Vorschläge zum europäischen Gesellschaftsrecht und zur Corporate Governance vorgestellt, die bedeutende Änderungen für deutsche Unternehmen mit sich bringen würden. Das Paket beinhaltet neben einem Entwurf für die neue Rechtsform der Europäische Einpersonengesellschaft (SUP) und einer Empfehlung zur Berichterstattung über die Unternehmensführung auch eine Neufassung der Aktionärrechtesrichtlinie. Der Entwurf stammt aus dem Binnenmarktkommissariat des Franzosen Michel Barnier. Jetzt stehen die Beratungen in Parlament, Rat und Kommission an. 

Die Neufassung soll aktive Aktionäre fördern sowie die Transparenz zwischen dem Unternehmen und seinen Aktionären verbessern. Kritikwürdig ist dabei, dass sich der Vorschlag am angelsächsischen Corporate-Governance-Modell orientiert, das den mitbestimmten Aufsichtsrat als Kontrollorgan zwischen Hauptversammlung und Vorstand nicht kennt. Der Versuch, einseitig die Kompetenzen der Hauptversammlung und damit oft kurzfristige Aktionärsinteressen zu stärken, vernachlässigt die im Aufsichtsrat repräsentierten Interessen der Arbeitnehmer und der anderen Stakeholder am nachhaltigen Erfolg des Unternehmens.

Dies machen zwei zentrale Punkten deutlich: die vorgesehene zwingende Abstimmung der Aktionäre über die Politik der Vorstandsvergütung („say on pay“) und die geplante Zuständigkeit der Hauptversammlung für Transaktionen mit Großaktionären. 

Nach dem Richtlinienvorschlag muss die Hauptversammlung verbindlich mindestens alle drei Jahre über die Vorstandsvergütungspolitik abstimmen. Anders als bei der in Deutschland geltenden freiwilligen Möglichkeit eines unverbindlichen Votums ist also ein bindendes Votum der Aktionäre geplant. Zusätzlich sollen die Anteilseigner jährlich über den – in der AG von Vorstand und Aufsichtsrat zu erstellenden – Vergütungsbericht abstimmen. Bei Verweigerung der Zustimmung muss im folgenden Jahr berichtet werden, wie auf die Kritik der Aktionärsversammlung reagiert wurde. Zwar bliebe dem Aufsichtsrat die Kompetenz, über die Höhe der Zahlung zu entscheiden und die Vergütungspolitik zu entwickeln. Doch sein Spielraum wäre beschnitten. 

Auch bei dem Vorschlag zu stärkeren Kontrollrechten der Aktionäre bei Geschäften von Unternehmen mit Großaktionären („related party“) missachtet die Kommission die Rolle des Aufsichtsrats. Bisher sind solche Geschäfte mit den sogenannten nahestehenden Unternehmen und Personen im Rahmen der Rechnungslegung im Nachhinein offenzulegen. Nach dem Willen der Kommission müssen solche Transaktionen, die mehr als fünf Prozent des Unternehmensvermögens betreffen oder die erhebliche Auswirkungen auf den Gewinn oder den Umsatz haben können, von den Aktionären genehmigt werden. 

Besonders relevant ist dies in Konzernstrukturen, zum Beispiel wenn es um Geschäfte oder Zusammenschlüsse zwischen mehreren mehrheitlich beherrschten Tochterunternehmen geht, zumal der betroffene Großaktionär von der Abstimmung aus­geschlossen sein soll. Eine solche Aktionärszuständigkeit bei gleichzeitiger Schwächung des Großaktionärs ist dem deutschen Konzernrecht fremd. Minderheitsaktionäre werden im deutschen Recht auf anderem Wege geschützt. Vor allem aber müsste der Aufsichtsrat anstelle der Hauptversammlung gestärkt werden – beispielsweise indem er über solche Geschäfte im Rahmen seines Zustimmungskatalogs entscheidet. Die EU-Kommission hat offenbar lediglich das Leitbild des aktiven Aktionärs im Sinne des Shareholder-Value vor Augen. Die Rolle der mitbestimmten Aufsichtsräte dagegen droht durch diese Vorschläge ausgehöhlt zu werden. Deshalb können sie aus Arbeitnehmersicht nicht auf Zustimmung hoffen.

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