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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Betriebsräte: Kontinuität ist wichtig

Ausgabe 05/2014

Wenn erfahrene Arbeitnehmervertreter aufhören, droht ihr Know-how verloren zu gehen. Helfen könnten ein systematischer Wissenstransfer, Teamgeist und eine bessere Einbindung ehemaliger Kollegen.

Betriebsratsarbeit wird immer anspruchsvoller: Der Wandel der Erwerbsarbeit bringe neue Themen und Aufgaben für Arbeitnehmervertreter mit sich, schreiben Alfredo Virgillito, Britta Bertermann, Uwe Wilkesmann und Gerhard Naegele. Zudem gebe es einen Trend zur Verbetrieblichung von Interessenvertretung, also zunehmenden Regelungsbedarf auf betrieblicher Ebene, etwa durch Öffnungsklauseln in Tarifverträgen. Um mit solchen Entwicklungen Schritt zu halten, so die Sozialwissenschaftler von der Technischen Universität Dortmund, müssten sich Betriebsräte mehr und mehr Wissen aneignen. Das Problem: Scheiden langjährige Mitglieder aus, geht wertvoller Sachverstand oft vollständig verloren. Wie das zu vermeiden ist, haben die Forscher im Rahmen eines von der Hans-Böckler-Stiftung finanzierten Projekts untersucht.

Ausgangspunkt der Studie ist die Überlegung, dass Wissenstransfer dazu beitragen kann, Verluste von Wissen zu vermeiden: Kenntnisse, die alle Mitglieder eines Gremiums teilen, bleiben auch nach dem Weggang Einzelner erhalten. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand daher die Frage, welche Faktoren den Austausch von Wissen zwischen Betriebsräten beeinflussen. Um diese Frage zu klären, haben die Wissenschaftler ausführliche Interviews mit 35 Betriebsratsmitgliedern und drei Vertretern der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit geführt. In einem zweiten Schritt fand eine Online-Befragung statt, an der sich über 6.000 Arbeitnehmervertreter beteiligten.

Den Ergebnissen zufolge bemühen sich Betriebsräte durchaus um eine gezielte Weitergabe von Wissen: Die Befragten halten Schulungen für einen der wichtigsten Transferkanäle, Bildungsplanung gibt es bei 41 Prozent von ihnen. Meist jedoch sei der Wissenstransfer komplett individuell gestaltet und wenig strukturiert, konstatieren die Forscher. Persönliche Netzwerke und informeller Austausch spielten eine wichtige Rolle, spezielle Mentoren- oder Partnerprogramme gebe es dagegen nur selten. Selbst Einarbeitungen oder eine systematische Nachfolgeplanung sind in weniger als einem Drittel der Betriebsräte üblich. Auf die Frage, wo sie bei Bedarf Rat suchen würden, nennen Arbeitnehmervertreter an erster Stelle das Internet und die Gewerkschaften. Ausgeschiedene Betriebsratskollegen werden hingegen noch seltener gefragt als Vorgesetzte im Betrieb.

Eine entscheidende Voraussetzung für erfolgreichen Wissenstransfer ist nach Analyse der Sozialforscher das Klima der Zusammenarbeit unter den Arbeitnehmervertretern. Teamkultur und eine partizipative Führung wirkten sich statistisch nachweisbar positiv auf den Transfer von Wissen aus. Zeitmangel, so ein weiterer Befund, ist vor allem ein Problem in kleinen Gremien, die ohne freigestellte Mitglieder auskommen müssen. Dass Generationenkonflikte ein Problem darstellen, bestätigt sich nicht: Vorurteile gegenüber dem Nachwuchs führten im Gegenteil dazu, dass die Älteren der Jugend mehr Wissen zuteil werden lassen.

Aus ihren Ergebnissen haben die Autoren Schlussfolgerungen für die Praxis der betrieblichen Mitbestimmung abgeleitet. Kleinen Gremien empfehlen sie einen organisierten und verbesserten Wissenstransfer, um effektiver zu arbeiten. In großen Gremien gelte es dagegen vor allem, den Teamgedanken zu stärken, um Konkurrenzverhältnisse in Kooperation umzumünzen. Generell heben sie die Nachfolgeplanung als einen wichtigen Transferkanal hervor. Zudem plädieren Virgillito, Bertermann, Wilkesmann und Naegele dafür, den Erfahrungsschatz ehemaliger Mitglieder besser zu nutzen – durch Mentorenprogramme, die ehemalige Arbeitnehmervertreter mit Betriebsratsmitgliedern anderer Unternehmen zusammenführen. Die Koordinierung eines unternehmensübergreifenden Mentorenpools sollten dabei die Gewerkschaften übernehmen. „Es ist zu vermuten, dass hier mit wenig Investition viel Ertrag für die Mitbestimmung in Deutschland erlangt werden könnte“, schreiben die Wissenschaftler. Detaillierte Anleitungen für die praktische Umsetzung ihrer Erkenntnisse finden sich in einem „Werkzeugkasten für einen erfolgreichen Wissensaustausch in Betriebs- und Personalräten“, der online verfügbar ist.

 
  • Laut einer Umfrage unter etwa 6.000 Arbeitnehmervertretern sind Sitzungen und Schulungen die wichtigsten Kanäle für den Wissenstransfer in Betriebsräten. Zur Grafik

Alfredo Virgillito, Britta Bertermann, Uwe Wilkesmann, Gerhard Naegele: Einflussgrößen auf den Wissenstransfer in der betrieblichen Interessenvertretung – Eine empirische Untersuchung, edition der Hans-Böckler-Stiftung, im Erscheinen

Britta Bertermann, Stephanie Ebert, Gerhard Naegele, Alfredo Virgillito, Uwe Wilkesmann: Werkzeugkasten für einen erfolgreichen Wissensaustausch in Betriebs- und Personlräten. Eine Handreichung für die Praxis

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