zurück

Forschungsschwerpunkt: Mitbestimmung und Wandel der Arbeitswelt

Gegenstand dieses Themenfelds ist die Mitbestimmung als eine der tragenden Säulen des deutschen und teilweise auch des europäischen Wirtschaftsmodells.

Mitbestimmung zielt auf die Demokratisierung der Arbeitswelt als Teil einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft. Vertreten durch Betriebs- und Personalräte entscheiden die Beschäftigten über die sie betreffenden Angelegenheiten am Arbeitsplatz mit. Durch die Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat sind sie an der strategischen Steuerung der Unternehmen beteiligt. Weil Demokratisierung als dynamischer Prozess zu verstehen ist, entwickelt sich auch Mitbestimmung stetig weiter.

Die Hans-Böckler-Stiftung fördert Projekte, die …

… die betriebliche Mitbestimmung in sich verändernden Unternehmensstrukturen untersuchen.

Komplexere und sich stetig verändernde Unternehmens- und Verwaltungsstrukturen stellen eine besondere Herausforderung für die Mitbestimmung dar. Durch Outsourcing und Crowdsourcing, „International Business Units“, internationale Managementstrukturen und ähnliche Entwicklungen wird „der Betrieb“ als Bezugspunkt für die Interessenvertretung infrage gestellt. Das Zusammenwirken mehrerer Unternehmen an derselben Arbeitsstätte, neue Beschäftigungsformen und daraus resultierende unklare Zuständigkeiten erschweren eine wirksame Interessenvertretung. Darüber hinaus wird die nachhaltige Etablierung überbetrieblicher Interessenvertretungsgremien durch häufige Restrukturierungen erschwert.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie Betriebs- und Personalräte in solchen sich verändernden Strukturen effektiv arbeiten können und welcher – auch rechtliche – Regulierungsrahmen dazu notwendig ist. Die Mitbestimmungsforschung muss außerdem die Arbeit von Betriebs- und Personalräten über betriebliche Grenzen hinaus denken und in neue Akteurskonstellationen einordnen. Im Kontext kleinbetrieblicher Strukturen gewinnt auch die Arbeitnehmerbeteiligung im Handwerk eine neue Bedeutung. Lässt sich daraus auch etwas für andere Bereiche lernen?

… die Mitbestimmung über die nationalen Grenzen hinaus denken.

Infolge der Globalisierung von Unternehmen und Wertschöpfungsketten wird Mitbestimmung zunehmend international: Digitale Kommunikationsmittel ermöglichen es auch den Beschäftigten, sich über nationale Grenzen hinweg zu organisieren. Deshalb entstehen neben institutionalisierte Formen wie europäische und Weltbetriebsräte, internationale Unternehmensvereinbarungen und internationale gewerkschaftliche Unternehmensnetzwerke auch eher informelle Formen der Interessenorganisation. Während es eine Vielzahl von Forschungen zu Europäischen Betriebsräten und internationalen Rahmenvereinbarungen gibt, sind die anderen Formen und ihr Zusammenspiel untereinander weniger erforscht. Für eine erfolgreiche internationale Vernetzung ist aber auch eine genaue Kenntnis darüber entscheidend, wie die Interessenvertretung der Arbeitnehmer in anderen Ländern geregelt ist und gelebt wird und was sich daraus für das deutsche Mitbestimmungsmodell lernen lässt.

Die europäische Ebene bildet dafür einen wichtigen Ausgangspunkt. Einerseits bietet sie durch Europäische Betriebsräte und Regelungen zur Arbeitnehmerbeteiligung in Aufsichts- und Verwaltungsräten gesetzliche Rahmenbedingungen für eine transnationale Interessenvertretung. Andererseits entstehen neue Mittel und Wege zur Vermeidung oder zum Einfrieren des Mitbestimmungsniveaus. Gerade weil Mitbestimmung in der Europäischen Union ein umkämpftes Feld ist, kommt es darauf an, die europäischen Erfahrungen mit Blick folgende Fragen kritisch auszuwerten: Wie lässt sich Mitbestimmung als selbstverständlicher Bestandteil des europäischen Gesellschaftsrechts verankern? Welche Ansatzpunkte ergeben sich für die transnationale Solidarisierung über Europa hinaus?

… Mitbestimmung in Zeiten der Entsolidarisierung weiterentwickeln.

Mitbestimmung als das demokratische Prinzip, dass jeder und jede an den Entscheidungen, die sie betreffen, mitwirken soll, genießt ein hohes Ansehen. Gleichzeitig werden die demokratischen Institutionen durch Formen der Entsolidarisierung auf verschiedener Ebene herausgefordert: etwa durch den weltweiten Aufstieg autoritärer politischer Bewegungen und die Renaissance rassistischer, sexistischer und fundamentalistischer Denkmuster. Sie sind Zeichen einer Krise, an der deutlich wird, dass demokratische Prinzipien und die Solidarität mit den Schwachen nicht selbstverständlich sind, sondern erstritten werden müssen. Die abnehmende Tarifbindung und der sinkende Anteil von Beschäftigten, die durch einen Betriebsrat vertreten sind, bilden einen Teil dieser Krise.

Welche Formen der Solidarität können dem Trend der Entsolidarisierung entgegentreten? Wie lassen sich Interessenkonflikte innerhalb der Belegschaften in produktiver Weise lösen? Durch den Bezug auf andere Formen des Protests und der demokratischen Einmischung lässt sich untersuchen, wie Unzufriedenheit zu Engagement wird, unter welchen Bedingungen politische Mobilisierung erfolgreich ist, wie Framing und Agenda-Setting gelingen kann. Ziel ist es, die blinden Flecken der deutschen Mitbestimmung zu erkennen und zu bearbeiten. Wie können diverser werdende Belegschaften von Mitbestimmung profitieren? Wie können Betriebsräte und andere Interessenvertretungen das Versprechen einer Gleichstellung der Geschlechter einlösen?

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen