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Magazin Mitbestimmung

Wahlprogramme: Wie die Parteien Arbeit neu ordnen wollen

Ausgabe 09/2013

Wer macht sich besonders stark für die Tarifautonomie, die Bekämpfung des Niedriglohnsektors und gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Minijobs? Die Rezepte unterscheiden sich erheblich. Von Barbara Adamowsky

Die SPD verspricht, den Wert der Arbeit wieder herzustellen – gemeinsam mit starken Gewerkschaften und einer gestärkten Tarifautonomie. Dabei setzt sie stärker auf gesetzliche Lösungen. Sie will den Niedriglohnsektor mit einem gesetzlichen, flächendeckenden, in Ost und West einheitlichen Mindestlohn in der Höhe von mindestens 8,50 Euro zurückdrängen. Der Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes soll auf alle Branchen ausgeweitet werden, um tarifliche Branchenmindestlöhne möglich zu machen. Tariftreue soll zu einem verbindlichen Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gemacht werden. Bei der Leiharbeit sollen gleiche Bezahlung und gleiche Behandlung gegenüber anderen Beschäftigten gesetzlich durchgesetzt, der Missbrauch von Werkverträgen durch eine klarere Definition von Scheinselbstständigkeit bekämpft werden. Die SPD will Minijobs in einem ersten Schritt sicherer machen (schriftlicher Arbeitsvertrag und Kontrolle, tariflicher Stundenlohn von mindestens 8,50 Euro) und in einem zweiten Schritt grundsätzlich reformieren. Die sachgrundlose Befristung soll abgeschafft und der Katalog möglicher Befristungsgründe überprüft werden. Die SPD will eine Anti-Stress-Verordnung ins Arbeitsschutzgesetz integrieren und den Arbeitnehmerdatenschutz verbessern. Mit einem Entgeltgleichheitsgesetz will sie die strukturelle Lohnbenachteiligung von Frauen beenden.

Die Partei Die Linke will „die Arbeit, ihre Verteilung, ihre Bezahlung, ihre Organisation neu und besser regeln“. Die Partei fordert ein Verbot der Leiharbeit und bis dahin gleiche Bezahlung und gleiche Behandlung und mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte bei Werkverträgen. Minijobs sollen von der ersten Stunde an sozialversicherungspflichtig sein. Kettenbefristungen und die sachgrundlose Befristung sollen untersagt, Praktika mit einer Mindestvergütung bzw. tarifvertraglich vergütet werden. Die Rechte der Beschäftigten und Gewerkschaften sollen gestärkt werden, gerade was ihre Rolle bei der Aushandlung von Löhnen betrifft. Deswegen plädiert die Partei für einen flächendeckenden Mindestlohn von zehn Euro. Dieser soll bis zum Ende der Wahlperiode auf „60 Prozent des nationalen Durchschnittslohnes“ steigen, derzeit etwa zwölf Euro. Tarifverträge sollen auf Antrag einer Tarifvertragspartei allgemeinverbindlich erklärt werden können. Die öffentliche Auftragsvergabe soll an Mindestlöhne und ortsübliche Tarifverträge geknüpft werden. Die Linke will eine Anti-Stress-Verordnung und ein individuelles Vetorecht bei der Umgestaltung der Arbeitsorganisation im Betrieb.

Die Partei Bündnis 90/Die Grünen verspricht, das Tarifvertragssystem zu stärken und Tarifflucht zu bekämpfen. Sie hat sich in ihrem Wahlprogramm auf einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 8,50 Euro festgelegt und will die Allgemeinverbindlicherklärung von Branchenmindestlöhnen und -tarifverträgen erleichtern. Leiharbeiter sollen nicht nur gleich entlohnt und behandelt werden, sondern auch einen Flexibilitätsbonus erhalten. Zur Bekämpfung von Missbrauch bei Werkverträgen will die Partei eine rechtliche Abgrenzung zur Leiharbeit. Sie will Kontrollen und Mitbestimmung stärken. Befristungsgründe sollen reduziert, Befristungen ohne Sachgrund abgeschafft werden und Bagatellkündigungen nicht mehr möglich sein. Die Minijobs sollen reformiert werden: Zuerst sollen sie eingedämmt und arbeits- und sozialrechtlich bessergestellt und später durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ersetzt werden. Ein Entgeltgleichheitsgesetz soll mit verbindlichen Regelungen, wirksamen Sanktionen und einem Verbandsklage­recht ausgestattet werden. Die Grünen wollen einen modernen Beschäftigtendatenschutz und eine Anti-Stress-Verordnung.

Die beiden christlichen Parteien (CDU/CSU) bekennen sich in ihrem Wahlprogramm zum Wert der Arbeit, zur Tarifautonomie und Tarifeinheit. Insgesamt sind sie davon „überzeugt, dass die Verantwortung für ein gutes Miteinander zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern in erster Linie bei den Tarifpartnern und in den Betrieben liegt“. So werden zwar Empfehlungen für die Sozialpartner ausgesprochen, aber gesetzliche Regelungen sehr zurückhaltend angekündigt. Eine Lohnfestsetzung durch die Politik wird abgelehnt: Für die Bereiche, in denen es keine Tarifverträge gibt, sollen die Tarifpartner gesetzlich in die Pflicht genommen werden. Sie sollen eine tarifliche Lohnuntergrenze festlegen – allerdings mit Unterschieden je nach Region oder Branche. Auch bei der Leiharbeit setzen die CDU und die CSU auf tarifliche anstatt auf gesetzliche Regelungen. Werkverträgen und Befristungen stehen sie positiv gegenüber, wenn auch Missbrauch verhindert werden soll. Zu Minijobs gibt es keine Vorschläge, etwas zu ändern; offensichtlich erkennen die Parteien hier keinen Handlungsbedarf. Bei der Bekämpfung von Arbeitsstress sollen Lösungen „partnerschaftlich von Arbeitnehmern und Arbeitgebern“ gefunden werden. Für den Anspruch von Frauen und Männern auf gleiche Bezahlung sollen gesetzliche Transparenzpflichten geprüft werden.

Die FDP bekennt sich zur Tarifautonomie, was nicht verwundert, will sie doch möglichst jeden staatlichen Eingriff verhindern. Sie lehnt einen allgemeinen, flächendeckenden Mindestlohn strikt ab, will aber Lohnuntergrenzen zulassen, die branchenspezifisch, dezentral und differenziert in Tarifverträgen ausgehandelt werden. Bei der Leiharbeit sieht die FDP der Gerechtigkeit durch Branchenzuschläge Genüge getan. Die gesetzlichen Kündigungsfristen, die derzeit Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr nicht mit einbeziehen, sollen unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) verändert werden, sodass Jüngere nicht mehr diskriminiert werden. Ebenfalls soll das Vorbeschäftigungsverbot bei der befristeten Beschäftigung gelockert werden. Kettenbefristungen sollen durch einjährige Karenzfristen verhindert werden. Bei Werkverträgen sieht die Partei keinen Handlungsbedarf. Die Verdienstgrenze für Minijobs soll weiter erhöht werden – die FDP sieht darin ein flexibles Arbeits­marktinstrument und einen sinnvollen Einstieg in Arbeit. Unternehmen sollen sich zur Geschlechtergerechtigkeit selbst verpflichten.

Die Wahlprogramme im Netz

SPD-PROGRAMM http://bit.ly/spdreg13

PROGRAMM DER LINKSPARTEI http://bit.ly/dielinke2013

PROGRAMM VON BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN http://bit.ly/gruene2013

CDU/CSU-PROGRAMM http://bit.ly/cdu2013

FDP-PROGRAMM http://bit.ly/fdp20131

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