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HBS Böckler Impuls

Finanzmarktregulierung: Transaktionssteuer: Kreativ rechnen mit Goldman Sachs

Ausgabe 11/2013

Die Bedenken von Investmentbanken gegen die Besteuerung von Finanztransaktionen sind nicht überzeugend, zeigt eine wissenschaftliche Analyse.

Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer würde die Finanzwirtschaft jährlich mit 170 statt der eingeplanten 34 Milliarden Euro belasten, so steht es in einem Papier der politisch einflussreichen Investmentbank Goldman Sachs. Der Ökonom Stephan Schulmeister vom österreichischen Wifo-Institut hat sich mit der Studie auseinandergesetzt. Sein Ergebnis: Nur mithilfe sehr unrealistischer Annahmen kommen die Bank-Analysten auf eine so große Zahl. Zudem enthalte die Studie einige logische Fehler.

Im Wesentlichen geht die angeblich so hohe Belastung der Banken darauf zurück, dass die Goldman-Studie unterstellt, eine Finanztransaktionssteuer würde die Spekulation gar nicht bremsen. Die Banker haben einfach Umfang und Anzahl der Wertpapiertransaktionen im vergangenen Jahr überschlagen und das Ergebnis mit dem geplanten Steuersatz von 0,1 Prozent multipliziert. Dabei sei es ja gerade das Ziel der Steuer, betont Schulmeister, extrem kurzfristige – also mit vielen Transaktionen verbundene – Geschäfte unrentabel zu machen. Denn gerade sie begünstigten die Bildung von Spekulationsblasen.

Knapp 70 Prozent des Steueraufkommens würde nach der Rechnung von Goldman Sachs durch sogenannte Repo-Geschäfte entstehen. Diese dienten Investmentbanken hauptsächlich zur Refinanzierung spekulativer Wertpapierkäufe und spielten eine entscheidende Rolle bei der Entstehung der US-Immobilienblase sowie dem Kollaps von Lehman Brothers, so Schulmeister. Besonders kurzfristige Repo-Geschäfte seien eine „spezifische Quelle systemischen Risikos“. Deshalb findet es der Wissenschaftler auch sinnvoll, dieses Marktsegment durch eine Steuer auszutrocknen. Banken, die die Realwirtschaft finanzieren, also Kredite für Produktion, Hausbau oder Autokauf vergeben, brauchten keine Repos.

Als weiteres Beispiel für unseriöse Berechnungen wertet Schulmeister die von Goldman Sachs Research ausgewiesenen „effektiven jährlichen Steuersätze“: Bei Wertpapieren, die mehrfach am Tag den Besitzer wechseln, kämen Steuersätze von über 300 Prozent zusammen. Die von den Bankern angewandte Methodik ist nach Schulmeister jedoch unzulässig. Das sei so, als würde jemand, der jeden Tag etwas kauft, die 365 Tage des Jahres mit dem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent multiplizieren und sagen, er hätte eine Steuerlast von 6.935 Prozent zu tragen.

Schließlich bemühen sich die Investmentbanker nachzuweisen, dass die Steuer zu großen Teilen private Sparer belastet. Auch diese Kalkulationen sind dem Wifo-Experten zufolge nicht ernst zu nehmen. Sie arbeiteten mit unrealistisch hohen Durchschnittsrenditen, der Vernachlässigung von Zinseszinseffekten – und ohne absehbare Änderungen der Anlagestrategien zu berücksichtigen.

Dass eine Finanztransaktionssteuer die „Finanzalchemisten“ und nicht die Finanzierung der Realwirtschaft treffen würde, lässt sich laut Schulmeister allerdings sogar aus dem fragwürdigen Zahlenwerk von Goldman Sachs ablesen: Demnach würde der Gewinn der Deutschen Bank mit 362 Prozent, der Gewinn der Raiffeisenbanken dagegen nur mit 30 Prozent besteuert.

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