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Magazin Mitbestimmung

Vermögensteuer: Mit der Verfassung vereinbar

Ausgabe 06/2013

Der Jurist Joachim Wieland, Professor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, erklärt im Interview, wie man die Vermögensteuer so gestalten könnte, dass sie dem Staat mehr Geld einbringt und mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Herr Wieland, die Vermögensteuer wird seit 1997 nicht mehr erhoben. Was sind die Gründe dafür?

Das liegt an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht hatte seinerzeit gesagt, dass die Grundstücke bei der Berechnung des Vermögens nicht angemessen berücksichtigt würden. Der Wert der Immobilien sei regelmäßig viel zu niedrig bewertet worden. Es war also durchaus einleuchtend, vom Gesetzgeber dort neue Regeln zu fordern. Das Gericht hat aber gleichzeitig gesagt: Ohne eine Neuregelung darf ab 1997 die Vermögensteuer nicht mehr erhoben werden.

Und warum hat der Bundestag das dann nicht einfach neu geregelt?

Die Gründe sind sicher ein Stück weit politischer Natur. Einige Parteien lehnen die Vermögensteuer als antiquiert ab. Sie sagen: Aus einem Vermögen folgt keine höhere Leistungsfähigkeit. Vielleicht hat auch eine Rolle gespielt, dass der Bund selbst keine Vorteile aus der Erhebung einer Vermögensteuer hat. Das Geld würde nämlich an die Bundesländer gehen.

Lässt sich eine Vermögensteuer denn juristisch begründen?

Die Begründung von Steuern beruht rechtlich auf dem Prinzip der Leistungsfähigkeit, das auch das Bundesverfassungsgericht aus dem Grundgesetz herleitet: Jeder soll, gemessen an seinem Wohlstand, einen entsprechenden Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten. Die Leistungsfähigkeit zeigt sich im Einkommen, im Umsatz, aber natürlich auch im Vermögen. Wer ein größeres Vermögen hat, muss seine Zukunft weniger absichern und kann sich auch leichter an Finanzgeschäften beteiligen.

Dann ließe sich eine Vermögensteuer auch verfassungsgemäß gestalten?

Natürlich. Man müsste das Grundeigentum nur realistisch bewerten und sich etwa an Marktpreisen orientieren oder an den Grundstücksrichtwerten für die einzelnen Kommunen. Möglich wäre es auch, die früher genutzten Einheitswerte an den heutigen Wert anzupassen. Das ist mehr eine Frage des Wollens als des Könnens.

Und was würden Sie neben Immobilien noch zu Vermögen hinzuzählen?

Alles, was man auf dem Markt zu Geld machen kann. Da gehört natürlich auch das Eigentum an Unternehmen dazu. Dass dies etwa für mittelständische Unternehmen existenzbedrohend sei, ist ein Scheinargument. Schließlich wäre es ja möglich, wenn ein Unternehmen wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, die Steuerschuld zu stunden. Es würde keine Firma wegen der Vermögensteuer pleite gehen. Daran hätte der Staat auch kein Interesse. Die Steuerquelle würde dann versiegen.

Aber ist es nicht wahnsinnig aufwendig, die Höhe des Vermögens zu ermitteln? Ein Haus kann man ja von außen noch sehen. Aber zu wissen, ob dort jetzt teurer Schmuck oder wertvolle Gemälde drin sind, ist doch wesentlich schwieriger.

Sicher. Die Vermögensteuer fordert einen gewissen Verwaltungsaufwand. Ich denke aber, das ist aus Gründen der Gerechtigkeit hinzunehmen. Früher beruhte die Steuererhebung im Wesentlichen auf den Angaben der Steuerpflichtigen. Natürlich kann man da nur ungefähre Werte nehmen. Im Steuerrecht muss aber ziemlich häufig mit Pauschalen gearbeitet werden. Natürlich wird man sich bei Kunstwerken nie auf den Euro genau festlegen können.

Und was ist mit den Maschinen, den Werkshallen oder den Grundstücken von Unternehmen? Ist das auch Vermögen?

Das ist eine politische Entscheidung. Ob man auch das Vermögen von juristischen Personen, also einer GmbH oder einer Aktiengesellschaft, besteuert, müsste der Gesetzgeber entscheiden. Ich würde das aber für durchaus konsequent halten. Sonst würde man ja einen Anreiz schaffen, dass der Eigentümer eines Unternehmens sein Vermögen in das Unternehmen verlagert, um es der Steuer zu entziehen.

Sie könnten ihre Diamanten ja dann in die Schweiz schaffen.

Steuerflucht kann man nie ausschließen. Aber die Steuerpflichtigen müssten dann schon auswandern. Wer seinen Wohnsitz in Deutschland hat, muss auch auf sein in der ganzen Welt verteiltes Vermögen Steuern zahlen. Sonst wäre das Steuerhinterziehung. Und welche Konsequenzen das haben kann, ist aktuell wieder mal zu beobachten.

Und wie hoch sollte der Vermögensteuersatz sein?

Das ist keine juristische Frage. Ich persönlich würde etwa einen Satz von einem Prozent für angemessen halten – selbstverständlich bei einem entsprechend hohen Freibetrag von vielleicht 500.000 Euro netto. Die Schulden, etwa der Kredit für das Eigenheim, würden also von dem Vermögen abgezogen. Allein der Besitz eines Reihenhauses würde noch keine besondere Leistungsfähigkeit begründen.

Kritiker einer Vermögensteuer sagen: Wenn man jedes Jahr einen Teil seines Vermögens abgeben muss, ist es irgendwann aufgezehrt. Wohlhabende würden so enteignet, was das Grundgesetz eigentlich verbietet.

Man muss sehen, dass über die Jahrzehnte betrachtet eine Vermögensteuer von einem Prozent aus den Erträgen des Vermögens entrichtet werden kann. Momentan mag das etwas schwierig sein, weil die Zinsen sehr niedrig sind. Mittelfristig funktioniert das aber durchaus. Unter Steuerrechtlern spricht man deshalb von einer Soll­ertragsteuer. Das heißt, man besteuert den vermuteten Ertrag. Das Grundgesetz erwähnt die Vermögensteuer ausdrücklich als von der Verfassung vorgesehene Steuer. Das hat seine Rechtfertigung darin, dass man annimmt, dass aus einem Vermögen auch ein Ertrag folgt.

Im Bundestagswahlkampf fordern einige Parteien eine stärkere Beteiligung der Wohlhabenden. Können Sie diesen Konzepten etwas abgewinnen?

Durchaus, das ist gerecht. Das Grundgesetz erwähnt auch die Vermögensabgabe. Die Grünen schlagen vor, diese Möglichkeit zur Finanzierung der Kosten der Banken- und Eurokrise heranzuziehen. Das scheint mir auch vertretbar. Wichtiger fände ich aber eine Wiedereinführung der Vermögensteuer. Das Steuersystem hat derzeit eine Schieflage, da etwa über die Umsatzsteuer vor allem diejenigen zur Finanzierung des Gemeinwesens beitragen, die nicht so leistungsfähig sind. Die Vermögenden haben da einen ungerechtfertigten Vorteil. Das Steuersystem würde mit einer Vermögensteuer wieder ein Stück gerechter.

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