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HBS Böckler Impuls

Ausbildung: Lehrstellen auch für schwache Schüler

Ausgabe 07/2013

Dass schwache Schüler häufig keine Lehrstellen finden, erklären deutsche Wirtschaftsverbände damit, dass sie nicht ausbildungsfähig seien. Ein Blick in die Schweiz zeigt: Das ist nicht stichhaltig.

Deutschland und die Schweiz ähneln sich in vieler Hinsicht: ein dreigliedriges Schul- und ein duales Ausbildungssystem sowie Angebote für Jugendliche, die nicht auf Anhieb eine Lehrstelle finden. In Deutschland spricht man vom „Übergangssystem“, in der Schweiz von „Brückenangeboten“. Auch die Leistungen unterscheiden sich nicht wesentlich: Laut PISA ist der Anteil Jugendlicher „mit geringen kognitiven Kompetenzen“ vergleichbar. Allerdings funktioniert der Übergang in Ausbildung – auch bei schwächeren Jugendlichen – in der Schweiz wesentlich besser. Das geht aus einer empirischen Untersuchung eines Forscherteams von den Universitäten Bamberg, Basel und dem European University Institute in Florenz hervor.

Auf Basis der Lebensläufe von fast 6.000 Schweizer Jugendlichen, darunter knapp 1.900 mit „geringen Kompetenzen“, haben die Wissenschaftler ermittelt, wie es jungen Leuten in der Alpenrepublik gelingt, beruflich Fuß zu fassen. Auch leistungsschwache Jugendliche, die eine Ausbildungsstelle suchen, haben in der Schweiz im Schnitt nach dreieinhalb Monaten Erfolg. Nur ein Viertel muss zunächst mit einer Überbrückungsmaßnahme Vorlieb nehmen – deren Teilnehmer nach einem Jahr aber zu 60 Prozent eine Ausbildung beginnen. Anders ist die Lage in Deutschland: Hier landen selbst diejenigen, die die Hauptschule mit Erfolg abgeschlossen haben, zu gut 50 Prozent im Überbrückungssystem, dessen Teilnehmern mehrheitlich „kein Übergang in ein reguläres und qualifizierendes Ausbildungsverhältnis“ gelingt. Dass leistungsschwächere Jugendliche in der Schweiz eher eine Ausbildungsstelle finden, erklären die Autoren vor allem mit zwei Faktoren: Erstens sei die Arbeitsmarktlage besser als in Deutschland. Daher würden weniger Bewerber von Konkurrenten mit besseren Schulabschlüssen verdrängt. Zweitens spielten Kleinbetriebe in der Schweiz eine größere Rolle bei der Ausbildung. Diese würden die Bewerbungen weniger nach formalen Kriterien vorsortieren und auch schwächeren Kandidaten eine Chance geben. Auf Grundlage der Befunde lasse sich festhalten, „dass das in Deutschland häufig angeführte (Vor-)Urteil, dass Jugendliche mit geringen kognitiven Kompetenzen nicht reif für eine Ausbildung sind, schwer haltbar ist“, so die Wissenschaftler.

  • Anders als in Deutschland geht die Bildungskarriere in der Schweiz auch bei den meisten leistungsschwachen Jugendlichen wenige Monate nach dem Ende Pflichtschulzeit weiter. Entweder mit einer Lehrstelle, weiterer Schulbildung oder einem „Brückenangebot“. Zur Grafik

Sandra Buchholz, Christian Imdorf, Sandra Hupka-Brunner, Hans-Peter Blossfeld: Sind leistungsschwache Jugendliche tatsächlich nicht ausbildungsfähig? In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 4/2012.

 

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