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Magazin Mitbestimmung

Rohstoff-Effizienz: Den Kostenblock anpacken

Ausgabe 03/2013

Die IG Metall unterstützt Betriebs(rats)beratung zur Steigerung der Material- und Energieeffienz. Das sichert gute Arbeit und macht wettbewerbsfähig. Von Karin Flothmann

"Energie!", blafft Captain Jean-Luc Picard und will, dass der Warp-Antrieb anspringt, der die Enterprise mit voller Kraft durchs All schicken soll. Doch seine Mannschaft will nicht so wie Picard. Sie will diskutieren. „Müssen diese ganzen Lichter hier pausenlos blinken?“, fragt etwa Commander Data. Und Commander William Thomas Riker ergänzt: „Wir finden, es wird Zeit, auch mal an unsere Ressourcen zu denken.“ Picard guckt erst mal pikiert.

So könnten auch die Geschäftsführer so mancher Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie gucken, wenn sie demnächst von ihren Betriebsräten auf das Thema Ressourceneffizienz angesprochen werden. Zur Einstimmung ins Thema hat die IG Metall einen kurzen Film produziert, der auf dem Raumschiff Enterprise spielt. „Der ist zum Beispiel für Betriebsversammlungen gedacht“, erläutert Jochen Schroth, bei der IG Metall für Arbeits- und Innovationspolitik verantwortlich. Sein Ressort hat eine Tool-Box, also einen ganzen Instrumentenkasten entwickelt, um die Betriebsräte der IG Metall für das Thema zu sensibilisieren. „Denn die Metall- und Elektroindustrie hat gute Chancen, weltweit ein Vorreiter in puncto Nachhaltigkeit zu werden“, davon ist Schroth überzeugt. Ihm geht es jedoch nicht nur darum, Belegschaften zu sensibilisieren und die Betriebe nachhaltiger, ressourcenschonender und innovativer aufzustellen. Vor allem geht es der IG Metall darum, im Sinne der „Besser-statt-billiger“-Philosophie Beschäftigung abzusichern und gute Lebens- und Arbeitsbedingungen umzusetzen. Denn die Rechnung, so Schroth, ist ganz einfach: „Ein Unternehmen, das zehn Prozent seines Ressourcenbedarfs spart, hat am Ende mehr eingespart, als wenn es das Weihnachtsgeld der Beschäftigten streicht.“

Die Kostenstruktur im verarbeitenden Gewerbe spricht ebenso für sich. Mehr als 45 Prozent der Kosten fallen für Material an, die Personalkosten hingegen liegen weit unter 20 Prozent. Die Aachener Kathy-Beys-Stiftung kommt denn auch in einer Modellrechnung für Deutschland zu dem Schluss: Eine kurzfristige Steigerung der Material- und Energieeffizienz ist machbar – und zwar um 20 Prozent. Für die deutsche Volkswirtschaft würde das Einsparungen von 100 Milliarden Euro bedeuten.

WEG VOM SPAREN BEIM PERSONAL

„Wir unterhalten uns bisher immer nur über das kleine Stückchen Kuchen der Personalkosten“, sagt Schroth. In einem Auto-Zuliefererbetrieb sollte er in den Verhandlungen mit der Geschäftsführung ein Paket mitschnüren, in dem es darum ging, 20 Prozent der Personalkosten einzusparen. Schroth wollte lieber über Ressourceneffizienz reden. Da guckte der Geschäftsführer nur erstaunt und meinte: „Warum sollten wir denn ausgerechnet mit Ihnen über Materialkosten sprechen?“

Das muss sich ändern, und das wird sich ändern, da ist Schroth sicher. Den Startschuss für die Aktion „Anpacken statt abwarten!“ gab der Funktionsbereich Betriebs- und Branchenpolitik unter Leitung des Zweiten Vorsitzenden Detlef Wetzel Mitte Februar auf der IG-Metall-Konferenz „Arbeit und Innovation“ in Frankfurt. Dort präsentierten Schroth und seine Kollegin Antje Utecht auch die Aktionsbox zur Ressourceneffizienz. Darin finden interessierte Betriebsräte den Film und Plakate, Postkarten und einen Check, um die Ressourceneffizienz im eigenen Betrieb zu prüfen.

Und sie finden den „Knaller“: einen Gutschein für eine kostenlose Erstberatung in Sachen Ressourceneffizienz. Interessierte Betriebsratsgremien können sich direkt an die IG-Metall-Verwaltungsstellen wenden, und die schicken einen Experten ins Unternehmen. Der guckt zunächst, wo Ressourcen besser genutzt werden könnten. Daraus kann sich in der Folge ein fünftägiges Beratungsprojekt entwickeln, dessen Kosten die IG Metall ebenfalls übernimmt. Möglich wird das durch das vom Bundesarbeitsministerium finanzierte Projekt „Taskforce Krisenintervention“, das seit 2009 noch bis Ende dieses Jahres läuft. Denn Sinn und Zweck dieser Taskforce ist es, Beschäftigung zu sichern und Innovationen zu fördern.

MENGE VON BESCHÄFTIGTEN-IDEEN

Wie das konkret aussehen kann, zeigen Beispiele aus Betrieben, die sich schon um ihre Ressourceneffizienz kümmern. Zum Beispiel beim Hamburger Fahrtreppen-Werk von ThyssenKrupp. Ende 2009 sollte es im einzigen deutschen Werk, das noch Rolltreppen herstellt, zu massiven Einsparungen kommen. „Unser Betrieb sollte zusammengeschrumpft werden“, erzählt der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Yusuf Tüfekci. Der Betriebsrat holte sich Unterstützung beim IMU-Institut in Stuttgart und setzte ein Ideenmanagement durch. „Es ging uns darum, die Beschäftigten mit ins Boot zu holen“, sagt Tüfekci, „denn die wissen am ehesten, wo was eingespart oder verbessert werden kann.“ 169 Ideen kamen zusammen – zu Prozessen und Abläufen, zu den Arbeitsbedingungen, zur Materialwirtschaft, zu Qualifizierung und Qualität und vielem mehr.

„Wir haben zum Beispiel einen erhöhten Wasserverbrauch in unseren Sanitärräumen festgestellt“, erzählt Tüfekci. Die Leitungen waren alt, Wasserhähne tropften. Also wurde alles auf den neuesten Stand gebracht. Sigrun Richter vom IMU-Institut meint, das sei typisch. In ihrer Beratungspraxis hat sie auch schon falsch montierte Heizungsventile gesehen, sodass die Belegschaft die Fenster öffnen musste, um auf eine erträgliche Temperatur zu kommen. Und typisch sei es auch, dass Wartungspläne nicht eingehalten würden oder einfach fehlten. „Insgesamt haben wir durch unsere Ideen 30 Prozent der Energiekosten eingespart“, sagt Tüfekci. Für die Belegschaft des Fahrtreppenwerks hat das Ideen-Projekt einiges gebracht in puncto Arbeitsplatzsicherheit: „Unsere Azubis haben wir im letzten Jahr unbefristet übernehmen können“, erzählt Tüfekci, „und wir stellen ein – nicht nur Ingenieure, auch im gewerblichen Bereich!“

Seitdem im Walzwerk der Hydro Aluminium in Grevenbroich bei Düsseldorf Ressourceneffizienz 2008 im Ausbildungsplan verankert wurde, haben 120 Auszubildende das Programm absolviert. Im Betrieb kommt das gut an. „Die alten Hasen bei uns sind erstaunt, wie nah unsere Azubis am Produkt sind und wie gut sie sich auskennen“, erzählt der Betriebsratsvorsitzende Ernst Schumacher. Jetzt will der Betrieb noch weiter gehen. „Unsere Azubis sollen künftig die Kollegen im Werk in puncto Ressourceneffizienz schulen“, erzählt Schumacher. „Und wir werden das Thema in unserem Europabetriebsrat platzieren.“

Auch auf der Enterprise lässt sich Captain Picard von seiner Mannschaft überzeugen. Einsparungen bei Energie und Ressourcen möchte er verwenden, um die Raumschiffbar zu renovieren. Lieutnant Worf hat noch eine andere Idee: „Ich warte schon seit Sternzeit 24193,6 auf meine Weiterbildung.“ Die kann er jetzt anpacken. 

Mehr Informationen

Wer mehr über die Aktion „Anpacken statt abwarten!“ erfahren oder einen Gutschein für eine Erstberatung in Sachen Ressourceneffizienz einlösen möchte, findet Infos auf der Internetseite der IG Metall oder wendet sich an: IG Metall Vorstand, FB Betriebs- und Branchenpolitik, Arbeit + Innovation, Telefon: 069/66 93–2613, oder via E-Mail an arbeit-innovation@igmetall.de 

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