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Magazin Mitbestimmung

Qualifikation: Büffeln für die Zulassung

Ausgabe 12/2012

Hamburg gibt Migranten konkrete Hilfestellungen, sich beruflich so weit zu qualifizieren, dass ihr Abschluss anerkannt wird. Möglich macht das ein Anerkennungsgesetz. Von Kendra Eckhorst

Michael Gwosdz kennt sich aus im deutschen Föderalismus-Dschungel. Der Leiter der Zentralen Anlaufstelle Anerkennung (ZAA) in Hamburg und sein fünfköpfiges Team beraten Menschen, die im Ausland einen Berufsabschluss erworben haben und in diesem Beruf in Deutschland arbeiten wollen. In acht Sprachen liegt ein Info-Flyer aus, darunter Polnisch, Türkisch und Arabisch. Der Informationsbedarf ist groß. Denn in Deutschland regelt der Bund für rund 350 Berufe die Anerkennungskriterien, für weitere 260 Berufe sind die Länder zuständig, wie etwa für Lehrer oder auch Pflegekräfte. Ob ein Arbeitsmigrant eine berufliche Anerkennung erhält, war bisher vielfach eine Frage des persönlichen Beharrungsvermögens: „Spätaussiedler konnten sich auf das Bundesvertriebenengesetz berufen, andere auf eine EU-Richtlinie zur Berufsanerkennung von 2005“, erzählt ZAA-Berater Gwosdz. „Aber das Verfahren war kompliziert – und es bestand kein Rechtsanspruch.“

Das ist jetzt anders. Seit April gibt es ein Bundesgesetz. Daneben hat Hamburg als erstes Bundesland ein eigenes Anerkennungsgesetz verabschiedet. Danach hat, wer in Hamburg wohnt oder angibt, dort arbeiten zu wollen, ein Recht auf die Beratungsangebote der mehrsprachigen ZAA-Berater. Die prüfen zuallererst, ob für den erlernten Beruf überhaupt eine staatliche Anerkennung nötig ist. „In den ersten eineinhalb Jahren kamen viele, die schon lange in Hamburg wohnen, Kinder erzogen haben und jetzt Fuß fassen wollen auf dem Arbeitsmarkt“, berichtet ZAA-Leiter Gwosdz. Vor allem Frauen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion und aus den osteuropäischen EU-Ländern wollen wissen, was sie mit ihrer beruflichen Qualifikation anfangen können. Viele haben Ausbildungen im pädagogischen oder pflegenden Bereich absolviert.

GUTE CHANCEN

Wenn nach Einschätzung der ZAA-Mitarbeiter eine Teilanerkennung der beruflichen Qualifikation möglich ist, schlagen sie Weiterbildungen vor, die Wissenslücken schließen. „Anpassungsqualifizierung“ heißt das im Amtsdeutsch. Letztlich ist etwa bei den Pflegekräften die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz für die Prüfung der vorgelegten Papiere zuständig. Sie vergleicht Ausbildungspläne, Berufserfahrungen und zählt Praxis- und Theoriestunden aus. Auch die Deutschkenntnisse werden hier bewertet. Nicht wenige der Arbeitsmigranten, die die ZAA berät, streben eine Prüfung zur „staatlich anerkannten Gesundheits- und Krankenpflegerin“ an.

So wie Andzelika Kusiak. Die Polin bekam über die Vermittlung der ZAA ein Stipendium der Stadt Hamburg für ihre Anpassungsqualifzierung als Krankenpflegerin. Wohnen konnte sie bei ihrer Schwester, die seit längerem in Hamburg lebt. „Schon vor zwölf Jahren habe ich in Deutschland in einer Kardio-Klinik als Krankenschwestergehilfin gearbeitet“, erzählt die 39-Jährige, die seinerzeit sogar eine Aussicht auf eine Festanstellung hatte. Doch im Jahr 2000 wurde ihr die Arbeitserlaubnis mit dem Verweis vorenthalten, es gäbe im Gesundheitsbereich genug Arbeitskräfte. Jetzt sieht die Sache anders aus. Andzelika Kusiak stellte im Frühjahr 2011 einen Antrag auf Anerkennung ihrer Qualifikationen, und schon ein Jahr später legte sie erfolgreich die Prüfung ab. „Noch während der Qualifikationskurs lief, habe ich Bewerbungen losgeschickt und wurde zu Vorstellungsgesprächen eingeladen“, sagt Kusiak. Seit Juni arbeitet sie nun als Krankenpflegerin auf einer Intensivstation.

Eine der Einrichtungen, die solche Nachqualifizierungen anbieten, ist das Berufsfortbildungswerk maxQ, das zur bfw-Gruppe gehört und sich auf Qualifizierungen in den Bereichen Erziehung, Soziales und Gesundheit spezialisiert hat. Finanziert werden die Kurse über Bildungsgutscheine der Agentur für Arbeit oder ein Stipendium der Stadt Hamburg, die für Anpassungsqualifizierungen 500.000 Euro pro Jahre bereitstellt. Im Angebot sind Berufsvorbereitungskurse und Weiterbildungen in Erziehungs-, Pflege- und Gesundheitsberufen. Hier pauken die Anwärter medizinisches Vokabular, Krankheitslehre oder die Dokumentation einer Pflegeplanung. So wie auch Lahbib Bouzayyane. Der Marokkaner ist neben 16 Frauen der einzige Mann im Auffrischungskurs für Krankenpfleger. In Marokko brauche man auch eine dreijährige Ausbildung für den Abschluss als Krankenpfleger, erzählt er. Bouzayyane ist froh, seine Kenntnisse zu erweitern. „Alles ist hier anders, die hygienischen Standards und die therapeutischen Mittel.“ Seit zwei Jahren lebt der 32-Jährige in Hamburg und hat sich intensiv um seine Anschlussqualifizierung gekümmert, hat Infos im Internet gesichtet und dort den Vorbereitungskurs bei maxQ gefunden. Sein Ziel: wieder als Krankenpfleger auf einer Dialyse-Station zu arbeiten. Andere Kursteilnehmerinnen wie Fiknete Hajrullahu, eine Frau aus dem Kosovo, möchten gerne in der Altenpflege tätig werden.

„Ein Drittel unserer Teilnehmer findet sofort einen Job, der Rest in der Regel im nächsten halben Jahr“, erklärt Birgit Schmidt, Leiterin von maxQ. Die Gesundheitsbranche ist in gewisser Weise ein Pionier. Andere Branchen wie das Handwerk fangen erst an, Angebote für Arbeitssuchende mit ausländischen Berufsabschlüssen aufzubauen. Dies zeigen die bundesweiten Zahlen aller Handwerkskammern. Von April bis August gab es dort 3460 Anfragen wegen einer Anerkennung oder Weiterqualifizierung, aber nur 686 mündeten in Anträge für Referenzqualifikationen wie Elektroniker, Kfz-Mechanikerin oder Friseur. Das könnte sich bald ändern, wenn die Eurokrise immer mehr arbeitssuchende Menschen nach Deutschland führt. „In Spanien hat sich schon eine Facebook-Gruppe gegründet, die alle verfügbaren Informationen sammelt, die für eine Auswanderung interessant sind, berichtet ZAA-Chef Gwosdz. 

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