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HBS Böckler Impuls

Makroökonomie: Sparen nur mit Augenmaß

Ausgabe 18/2012

Viel hilft viel. Dieser Gedanke steht hinter manchem Sparvorschlag für Länder mit hohem Budgetdefizit. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds kommt jedoch zu einer anderen Empfehlung.

Die öffentlichen Defizite in den USA, Japan und vielen Ländern Europas haben historische Höchststände erreicht. „Die schwere Rezession, erhebliche Interventionen auf den Finanzmärkten und Konjunkturprogramme haben die öffentliche Verschuldung auf Niveaus gehoben, wie man sie seit Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt hat“, schreiben Nicoletta Batini, Giovanni Callegari und Giovanni Melina. Die Ökonomen vom Internationalen Währungsfonds (IWF) beziehungsweise der Europäischen Zentralbank haben in ihrer Untersuchung unterschiedliche Strategien zum Schuldenabbau verglichen. Dabei zeigt sich: Drastische Kürzungen im Staatshaushalt zahlen sich nicht aus.

Ob die Verschuldung kritische Ausmaße annimmt – Kreditgeber also immer höhere Risikoprämien fordern –, hängt nicht nur vom absoluten Schuldenstand ab. Wichtiger ist die Relation zwischen den geliehenen Summen und der Wirtschaftskraft. Selbst wenn die Schulden sinken würden, könnte sich das Verhältnis zwischen ausstehenden Krediten und Bruttoinlandsprodukt (BIP) verschlechtern, wenn Sparprogramme gleichzeitig die Wirtschaftsleistung schmälern.

Haushaltssanierung nur im Aufschwung

Daher lautet die Frage der Wissenschaftler: Wie können Staaten sparen, ohne die Konsolidierungserfolge durch Wachstumsverluste gleich wieder zunichtezumachen? Zunächst haben die Forscher ermittelt, wie sich Veränderungen der Staatsausgaben oder der Steuern in der Vergangenheit auf das BIP ausgewirkt haben – in verschiedenen Ländern und in unterschiedlichen Konjunkturphasen. Der Untersuchung liegen empirische Daten aus den USA, Japan, Italien, Frankreich und der EU als Ganzes zugrunde.

Auf dieser Basis haben die Wissenschaftler im nächsten Schritt ein statistisches Modell entwickelt, mit dem sich unterschiedliche Spar-Szenarien durchspielen lassen. Die Simulationen führten zu klaren Ergebnissen und Politikempfehlungen:

  • Abrupte Einschnitte in die öffentlichen Ausgaben bremsen das Wachstum stärker als zeitlich gestreckte Sparprogramme. Entsprechend länger dauert es nach harten Kürzungen, bis sich die Schulden-BIP-Relation verbessert.
  • Sparen in Aufschwungphasen kostet weniger Wirtschaftsleistung als Kürzungen bei ohnehin sinkendem BIP.
  • Wenn der Staatshaushalt dennoch in Abschwungphasen konsolidiert werden muss, sollte dies hauptsächlich durch Steuererhöhungen statt Ausgabenkürzungen geschehen.
  • Die Geldpolitik sollte die Folgen einer restriktiven Finanzpolitik abfedern.
  • Klare und glaubwürdige Vorgaben für die Haushaltssanierung könnten zukünftige Konsolidierungsprogramme erleichtern.

Die Autoren warnen nicht nur wegen der unmittelbaren Wachstumseinbußen vor überhasteten Ausgabenkürzungen, sondern auch wegen möglicher Reaktionen der Finanzmärkte: Sollte sich infolge von Sparprogrammen das Verhältnis von BIP und Verschuldung nachteilig entwickeln, könnten sich die Finanzierungsbedingungen plötzlich verschlechtern. Dann müsste der Finanzminister höhere Risikoprämien zahlen, obwohl die Schuldensumme absolut gesunken ist. Die Konsolidierung würde am Ende teurer, als sie es mit einem moderaten Sparprogramm geworden wäre. Genau das ist auch in der Eurokrise in Griechenland, Spanien und Portugal geschehen, sagt IMK-Forscher Fabian Lindner.

Batini, Callegari und Melina ziehen das Fazit: „Eine graduelle Anpassung der Finanzpolitik mit einer ausgewogenen Mischung aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen erhöht die Chancen, dass sich Konsolidierungspolitik tatsächlich und zügig in sinkenden BIP-Schuldenquoten niederschlägt.“

  • Staatliche Ausgabenkürzungen schaden der Konjunktur mehr als Steuererhöhungen - besonders im Abschwung. Zur Grafik

Nicoletta Batini, Giovanni Callegari, Giovanni Melina: Succesful Austerity in the United States, Europe and Japan.  (pdf), IMF Working Paper, Juli 2012.

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