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Magazin Mitbestimmung

Interview: „Skeptisch, nicht ablehnend“

Ausgabe 10/2012

DGB-Mitbestimmungsexperte Rainald Thannisch über seine Arbeit im Forum der Bundesregierung zur Corporate Social Responsibility. Das Interview führte Stefan Scheytt.

Herr Thannisch, unter Gewerkschaftern gibt es heftige Kritik am Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR). Wie stehen Sie als DGB-Vertreter im CSR-Forum dazu?
Natürlich kenne ich die Kritik und teile sie im Grundsatz, weil ich weiß, dass CSR auch missbraucht wird für schönfärberisches Greenwashing, gerade in global agierenden Unternehmen, die ihre Reputation aufpolieren wollen. Es gibt auch Stimmen, die CSR als integralen Bestandteil des Marktliberalismus begreifen in dem Sinne, dass Unternehmen CSR als Ausgleich für soziale und umweltpolitische Sünden benutzen, die sie ihrem Umfeld glauben zumuten zu können.

Warum sitzen Sie dennoch im CSR-Forum?
Der DGB ist skeptisch, aber nicht ablehnend, weil wir die Chance sehen, durch CSR die soziale und ökologische Verantwortung von Unternehmen noch stärker in die Öffentlichkeit tragen zu können. Diese Themen werden mittlerweile von Finanzinvestoren und Aktionären sehr genau wahrgenommen, auch von NGOs, Wissenschaftlern, Politikern und vielen Studenten. Da entfaltet sich eine positive Dynamik, die ich begrüße. Es geht schließlich um gewerkschaftliche Kernthemen, wir verwenden nur andere Begriffe.

Sie selbst haben Mitbestimmung und CSR als „wesensfremd“ bezeichnet.
Ja, denn CSR, die im angelsächsischen Bereich wurzelt, betonte zumindest früher ausschließlich die Freiwilligkeit; Mitbestimmung dagegen, wie wir sie in Nord- und Mitteleuropa kennen, basiert auf gesetzlichen Regelungen. Deshalb dürfen CSR-Konzepte niemals Rechtsvorschriften und Tarifvereinbarungen ersetzen, sondern nur ergänzen.

Stoßen diese Gegensätze im CSR-Forum aufeinander?
Selbstverständlich. Mit den NGOs im Forum ist es eher ein Miteinander. Aber mit den Wirtschafts- und Arbeitgeberverbänden ringen wir mitunter um jedes Wort in den gemeinsamen Beschlüssen. Das sind hart erkämpfte Kompromisse.

Das klingt nach diesen klinisch gereinigten Abschlusserklärungen.
Der vom Forum Ende August beschlossene Abschlussbericht der AG „CSR im europäischen und internationalen Kontext“ ist ein solches Konsenspapier, aber deshalb nicht unspannend. Da steht drin, es sei wichtig, „dass sich die Wahrnehmung gesellschaftlicher Verantwortung in Deutschland, Europa und weltweit weiter und spürbar verbessert.“ Auch am Arbeitsplatz. Das Papier ist zugleich die offizielle Stellungnahme des Forums zur CSR-Strategie der EU-Kommission, die in ihrer neuen Definition von CSR jetzt nicht mehr so stark die Freiwilligkeit betont, sondern sagt, dass CSR die „Verantwortung eines Unternehmens für die Auswirkungen seiner Handlungen auf die Gesellschaft“ ist. Zudem empfiehlt das Forum, die Erfahrungen der Sozialpartnerschaft in die EU-weite Diskussion einzubringen. Dazu heißt es: , „Damit sind vor allem die verschiedenen Formen der Mitwirkung in der Sozialen Marktwirtschaft und der Sozialpartnerschaft angesprochen, für die es in Europa, und nicht zuletzt in Deutschland mit der Mitbestimmung, gute Erfahrungen gibt.“ Es ist doch bemerkenswert, wenn die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände einem Papier zustimmen, in dem ausdrücklich positive Erfahrungen mit der deutschen Mitbestimmung gewürdigt werden.

Gegen andere Aussagen der EU-Kommission gibt es Widerstand.
Die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände, aber auch die Bundesregierung lehnen die von der EU-Kommission angedachten gesetzlichen Transparenzpflichten kategorisch ab; danach müssten Unternehmen auch über sogenannte nicht-finanzielle Kennziffern berichten, anhand derer man ihr soziales und ökologisches Engagement beurteilen kann. Zu diesem Punkt gab es auch im Forum keinen Konsens, denn NGOs und Gewerkschaften begrüßen diese Pläne der EU. Die Verbände hingegen wünschen, dass alles freiwillig bleibt, und sie betreiben dafür in Brüssel starkes Lobbying. Wir sind sehr gespannt, wie Brüssel damit umgeht, das steht jetzt Spitz auf Knopf. Aber wir waren noch nie so nah dran wie jetzt, einen echten Fortschritt bei CSR zu erreichen.

Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass Betriebsräte an etwa zwei Dritteln der CSR-Projekte gar nicht beteiligt sind, zum Teil auch, weil sie gar nicht wollen. Warum?
Einige Betriebsräte sind sehr aktiv, viele sind aber mit der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben so ausgefüllt, dass sie sich nicht auch noch in CSR-Zirkeln engagieren können.

Was bringt ihnen dann die CSR-Debatte?
Natürlich müssen Betriebsräte aufpassen, dass sie nicht in CSR-Projekte hineingezogen werden, auf die sie keinen Einfluss haben und bei denen sie am Ende als nützliche Statisten missbraucht werden. Sie können sich durch CSR aber Handlungsspielräume eröffnen und zusätzlichen Einfluss gewinnen – im besten Fall sogar über den gesetzlichen Rahmen hinaus. Die Stellungnahme des CSR-Forums sagt übrigens ausdrücklich, dass Unternehmen ihrer Verantwortung nur dann gerecht werden können, wenn sie die Gesetze und die maßgeblichen Tarifverträge einhalten. Auch wenn das eine Selbstverständlichkeit sein sollte, wissen wir doch von vielen Fällen, in denen Betriebsratswahlen verhindert werden und Betriebsratsarbeit behindert wird. Diese rechtwidirge und unethische Praxis muss auch im Kontext von CSR thematisiert werden. Das schärft den Blick auf die universelle Verantwortung eines Unternehmens. Den noch größeren Mehrwert von CSR sehe ich jedoch im internationalen Bereich.

Inwiefern?
Im CSR-Forum hat ein Kollege aus dem Gesamtbetriebsrat von Daimler das dort gültige internationale Framework-Agreement zwischen der Weltarbeitnehmervertretung, dem Internationalen Metallgewerkschaftsbund und Daimler vorgestellt. Da hat man gesehen, dass das ein sehr nützliches Instrument sein kann, um weltweit gegen Verstöße gegen Gewerkschafts- und Arbeitnehmerrechte vorgehen zu können.



RAINALD THANNISCH, 39, vertritt DGB-Vorstandsmitglied Dietmar Hexel in Gremien des Nationalen CSR-Forums. Er ist politischer Referent beim DGB-Bundesvorstand in der Abteilung Mitbestimmungspolitik. Der Volkswirt leitet dort auch den Arbeitskreis Betriebsräte sowie die Projektgruppe Betriebsratswahlen. 

Nationales CSR-Forum

Das 2009 eingerichtete Nationale CSR-Forum berät das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei der Entwicklung und Umsetzung einer nationalen CSR-Strategie. Dem Gremium gehören 44 Mitglieder an, darunter Vertreter des Bundeskanzleramtes und von neun Bundesministerien, von BDI, BDA, DIHK, ZDH und OECD, von Gewerkschaften (DGB, ver.di, IG Metall, IG BCE), Nichtregierungsorganisationen (u.a. Transparency International) und von einzelnen Unternehmen. Auf Grundlage der Arbeit des Forums verabschiedete die Bundesregierung Ende 2010 einen nationalen Aktionsplan CSR. Er soll CSR als ein für Unternehmen und die Gesellschaft lohnendes Instrument etablieren. Bei seiner neunten Sitzung im August 2012 beschloss das Forum eine Stellungnahme zur CSR-Mitteilung der EU-Kommission „Eine neue EU-Strategie (2011–2014) für die soziale Verantwortung der Unternehmen“. Die Stellungnahme formuliert Empfehlungen an die Bundesregierung und an die EU-Kommission und soll im Herbst in Brüssel präsentiert werden. 

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