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HBS Böckler Impuls

Autobranche: Elektroautos bringen neue Jobs

Ausgabe 13/2012

Elektroautos werden künftig eine größere Rolle spielen. Eine Studie zeigt: In der Fahrzeugproduktion könnte dadurch mehr Beschäftigung entstehen.

Noch entscheiden sich fast alle Autofahrer für Tanksäulen statt Steckdosen: Weniger als 2.200 von über drei Millionen Neuwagen waren 2011 laut Kraftfahrt-Bundesamt Elektroautos. Doch dabei wird es nicht bleiben. Wie wird sich der Markt für alternative Antriebstechnologien in den nächsten 20 Jahren entwickeln? Und was bedeutet das für die Arbeitsplätze in der Automobilindustrie? Das haben Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, des IMU Instituts Stuttgart und des Instituts für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR-FK) im Forschungsprojekt „ELAB – Auswirkungen der Elektrifizierung des Antriebsstrangs auf Beschäftigung und Standortumgebung“ untersucht. Auftraggeber waren der Gesamtbetriebsrat und die Unternehmensleitung der Daimler AG, die IG Metall Baden-Württemberg und die Hans-Böckler-Stiftung.

Für ihre Prognose haben die ELAB-Forscher zahlreiche Experten interviewt, einschlägige Studien ausgewertet und so mehrere Szenarien entwickelt. Dem Referenzszenario zufolge, das einem „ausgewogenen Mittel“ der analysierten Studien entspricht und damit aus Sicht der Wissenschaftler relativ wahrscheinlich ist, wird der Anteil der rein elektrisch über Batterie oder Brennstoffzelle betriebenen Neuwagen bis 2030 auf 15 Prozent steigen. Nur noch 40 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge werden ausschließlich auf Verbrennungsmotoren basieren, 45 Prozent auf Hybridtechnik. Andere Szenarien unterstellen entweder noch höhere Marktanteile von Elektro- oder Hybridautos oder eine stabilere Nachfrage nach konventioneller Technik. Doch selbst bei extrem konservativen Annahmen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass alternative Antriebe in den kommenden Jahrzehnten erheblich an Bedeutung gewinnen werden.

Klar ist: Auf den Produktionsprozess in den Automobilwerken wird diese Marktentwicklung gravierende Auswirkungen haben. Was das für die Zahl der Arbeitsplätze in der Produktion bedeutet, ist unter Fachleuten hingegen umstritten, fassen die ELAB-Forscher den bisherigen Stand der Analyse zusammen. Denn einerseits komme ein reiner Elektroantrieb mit deutlich weniger Mechanik aus: Motor und Getriebe eines konventionellen Fahrzeugs setzten sich aus rund 1.400 Teilen zusammen. Ein Elektromotor samt Getriebe dagegen bestehe nur aus etwa 200 Teilen. Andererseits werde die Montage aber künftig dadurch komplexer, dass Hersteller konventionelle, elektrifizierte und rein elektrische Antriebsstränge parallel verbauen müssten. Das erfordere mehr Arbeitskräfte.

Alles in allem ist deshalb unter den modellhaften Bedingungen einer idealtypischen Antriebsstrangproduktion bis 2030 mit zusätzlichen Arbeitsplätzen zu rechnen, so die ELAB-Studie. Idealtypisch heißt in diesem Fall: Effekte wie die Verteilung und Verlagerung der Wertschöpfung auf verschiedene Unternehmen und Standorte werden nicht untersucht. Im Referenzszenario steigt die Zahl der Beschäftigten, die ein Automobilhersteller für die Fertigung von jährlich einer Million Antriebssträngen benötigt, von zuletzt 6.000 bis 2030 auf über 7.200. Der Personalbedarf würde also um 20 Prozent zunehmen. Die anderen Szenarien lassen ebenfalls zusätzliche Beschäftigung erwarten. Wie sicher die Arbeitsplätze in den bestehenden Produktionsstrukturen und regionalen Automobilclustern sind, könne daraus allerdings nicht abgeleitet werden, konstatieren die Forscher: „Innerhalb der Wertschöpfungskette kann es zu massiven Verschiebungen und Umbrüchen kommen.“

Mit dem steigenden Personalbedarf wird der Studie zufolge ein Wandel der Kompetenzanforderungen einhergehen: Die sogenannte spanende Metallbearbeitung – Drehen, Fräsen, Bohren, Schleifen – werde an Bedeutung verlieren. Montageprozesse dagegen dürften künftig eine größere Rolle spielen. Als zentrale neue Qualifikationsanforderung nennen die Wissenschaftler insbesondere den Umgang mit Hochvoltsystemen, also mit Wechselspannung ab 25 Volt und Gleichspannung von mehr als 60 Volt. Denn bei der Produktion elektrifizierter Antriebskonzepte müssten Beschäftigte mit bis zu 1.000 Volt umgehen. Ihnen und den Unternehmen in der Automobilindustrie empfehlen die Autoren, sich rechtzeitig auf die neuen Anforderungen einzustellen: „Die Lehrinhalte in der beruflichen Aus- und Weiterbildung müssen an die besonderen Qualifikationen, die die Elektromobilität erfordert, angepasst werden. Bestehende Angebote sollten stärker in Richtung Kompetenzen in Elektrik/Elektronik erweitert werden.“

  • Bis 2030 wird nach einer Prognose des Forschungsprojekts "ELAB – Auswirkungen der Elektrifizierung des Antriebsstrangs auf Beschäftigung und Standortumgebung" der Anteil rein elektrisch oder mit Hybridtechnik betriebener Neuwagen erheblich zunehmen. Zur Grafik

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