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HBS Böckler Impuls

Arbeitsrecht: Hausangestellte: Lücke beim Arbeitsschutz

Ausgabe 12/2012

Die Zahl der Beschäftigten in Privathaushalten wächst – auch weil immer mehr ältere Menschen pflegebedürftig sind. Mit der Ratifizierung der ILO-Konvention für Hausangestellte könnte Deutschland mehr Aufmerksamkeit auf deren Lage lenken, zeigt ein Gutachten.

Rund 208.000 Beschäftigte in privaten Haushalten weist das Statistische Bundesamt für 2010 aus. Die meisten sind Frauen, die Tendenz ist steigend. Besonders Pflegetätigkeiten gewinnen beträchtlich an Bedeutung, erläutert Eva Kocher, Juraprofessorin an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Sie hat im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung die rechtliche Situation von Hausangestellten untersucht. Anlass war die Verabschiedung der „Domestic Workers Convention“ der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die von Deutschland noch nicht ratifiziert worden ist.

Kochers Ergebnis: Deutsche Gesetze entsprechen zwar den Mindestvorgaben der ILO, Angestellten in Privathaushalten die gleichen Rechte einzuräumen wie anderen abhängig Beschäftigten. Bei einigen Fragen zeigt die Studie jedoch Verbesserungsbedarf darüber hinaus.

Allgemeine Grundsätze. Hausangestellte sind grundsätzlich Arbeitnehmerinnen im Sinne des deutschen Arbeitsrechts, denn sie arbeiten in der Regel weisungsgebunden und sind in die Organisation des Haushalts eingegliedert. Das gilt auch für ausländische Beschäftigte – es sei denn, sie sind nur vorübergehend aus ihrem Heimatland nach Deutschland entsandt. Allerdings greifen bei Arbeitskräften in Privathaushalten einige Ausnahmeregelungen.

Arbeitsschutz. Sowohl das Arbeitsschutz- als auch das Arbeitssicherheitsgesetz gelten für Hausangestellte nicht. Anforderungen an die Gestaltung des Arbeitsplatzes ergeben sich lediglich aus den Mindestvorgaben zur „Fürsorgepflicht“ nach einer der ältesten Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts. Doch die Konvention erlaube es, die „besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit“ zu berücksichtigen, schreibt Kocher. Nach der Ratifizierung müsste der Gesetzgeber den Schutz dann schrittweise an andere Beschäftigungsverhältnisse angleichen.

Arbeitszeit. Im deutschen Recht unterliegen im Haushalt Beschäftigte dem allgemeinen Arbeitszeitschutz. Sie haben zum Beispiel Anspruch darauf, pro Woche mindestens 24 Stunden am Stück frei zu haben. Bereitschaftszeiten sind ebenfalls als Arbeitszeit anzusehen. Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz gelten nur für Beschäftigte, die „in häuslicher Gemeinschaft mit den ihnen anvertrauten Personen zusammenleben und diese eigenverantwortlich erziehen, pflegen oder betreuen“– etwa bei der Arbeit in SOS-Kinderdörfern oder in betreuten Wohngruppen. Insgesamt ist das deutsche Recht bei diesem Thema sogar schon weiter, als es die Konvention verlangt, so die Juristin.

Entlohnung. Aktuell bestehen Tarifverträge für die Hausarbeit zwischen dem Deutschen Hausfrauenbund auf Arbeitgeberseite und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Einen gesetzlichen Mindestlohn gibt es lediglich für die Pflegebranche. Pflegekräfte, die von privaten Haushalten beschäftigt werden, sind hiervon zumeist nicht erfasst. Die Konvention sieht nur vor, dass ein nationaler Mindestlohn gezahlt wird, wenn es einen gibt – ihre Ratifizierung bringt also keine Verbesserung. Immerhin begrenzt das deutsche Recht Sachleistungen des Arbeitgebers anstelle einer Entlohnung in Geld – eine weitere Anforderung der ILO-Konvention.

Soziale Sicherung. Grundsätzlich werden geringfügig beschäftigte Hausangestellte wie andere geringfügig Beschäftigte behandelt. Allerdings sind die Pauschalbeiträge zu den Sicherungssystemen geringer. Dieser Widerspruch zu den Bestimmungen der Konvention kann jedoch auch noch nach der Ratifikation beseitigt werden, so Kocher.

Schutz vor Missbrauch, Belästigung und Gewalt. Aufgrund der mangelnden Sichtbarkeit und fehlenden gesellschaftlichen Anerkennung ihrer Tätigkeit ergeben sich für Hausangestellte über die Gleichbehandlung mit anderen Beschäftigten hinaus besondere Schutzbedürfnisse, erläutert die Juraprofessorin. Die Gefahr von Ausbeutung und einer mangelnden Trennung von Erwerbsarbeit und Freizeit ist groß. Wohnen sie mit im Haushalt, haben Beschäftigte aber ein Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre. Den Mindestanforderungen der Konvention genüge das deutsche Recht.

Rechtsdurchsetzung. Auf dem Papier scheinen Hausangestellte also vollwertige Arbeitnehmer zu sein, mit – fast – allen Rechten eines abhängig Beschäftigten. Empirische Studien lassen aber vermuten, „dass die überwiegende Zahl der Privathaushalte ihren gesetzlichen Melde- und Beitragspflichten und vermutlich auch sonstigen Arbeitgeberpflichten nicht nachkommt“, so Kocher. Die Juristin spricht sich dafür aus, „über eine Anpassung der Eingriffsrechte nachzudenken“ – natürlich unter Wahrung der Privatsphäre des Arbeitgebers: Arbeitsstätten in einer Wohnung dürfen ohne das Einverständnis des Inhabers nur dann betreten werden, wenn ein konkreter Verdacht eines schwerwiegenden Rechtsverstoßes vorliegt.

Kochers Fazit: Eine Ratifizierung der ILO-Konvention sei auch ohne aktuelle Rechtsänderungen möglich. Sie sei „hilfreich, um eine Klarstellung der aktuellen gesetzlichen Situation sowie ein klareres Bewusstsein aller Betroffenen zu ermöglichen“. Denn die mangelnde Sichtbarkeit der Hausangestellten äußere sich auch „in einer mangelnden Beachtung in der rechtlichen und praktischen Diskussion“.

  • Die Zahl der Beschäftigten in Privathaushalten wächst – auch wegen der zunehmenden Pflegebedürftigkeit älterer Menschen. Zur Grafik

Eva Kocher: Hausarbeit als Erwerbsarbeit: Der Rechtsrahmen in Deutschland, Voraussetzungen einer Ratifikation der ILO Domestic Workers Convention durch die Bundesrepublik Deutschland, Gutachten für die Hans-Böckler-Stiftung, Mai 2012

mehr zum Projekt der Forschungsförderung „ILO-Konvention über Hausangestellte“ und Download des Gutachtens

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