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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Schlechtere Chancen für Fatih Yildiz

Ausgabe 10/2012

Türkischstämmige Bewerber bekommen trotz gleicher Qualifikation weniger Einladungen zum Vorstellungsgespräch als deutsche. Das haben Wissenschaftler der Uni Konstanz experimentell nachgewiesen.

Herauszufinden, welche Rolle Diskriminierung in einer Gesellschaft spielt, ist nicht leicht. Selbst wenn statistisch nachweisbar ist, dass Migranten im Schnitt schlechter verdienen oder häufiger arbeitslos sind, lässt dies keine eindeutigen Schlüsse zu. Die beobachteten Unterschiede zu Einheimischen müssen schließlich nicht zwangsläufig auf Vorurteilen von Arbeitgebern beruhen, sondern könnten etwa die Folge von Qualifikationsunterschieden oder anderen Job-relevanten Persönlichkeitsmerkmalen sein. Leo Kaas und Christian Manger von der Universität Konstanz haben deshalb eine andere Methode gewählt, um die Bedeutung der Herkunft für die Arbeitsmarktchancen zu ermitteln. Sie haben Stellenanzeigen gesichtet und Bewerbungen verschickt – mit deutschen und türkischen Namen als Absender. Die Reaktionen der Unternehmen waren deutlich: Die Quote der positiven Rückmeldungen von Unternehmen lag bei Bewerbungen von Dennis Langer oder Tobias Hartmann um 14 Prozent über den entsprechenden Werten von Fatih Yildiz oder Serkan Sezer. Kleinunternehmen entschieden besonders häufig nach dem Namen, hier betrug die Differenz 24 Prozent.

Die Wissenschaftler haben für ihr Experiment gut 500 Praktika-Angebote für Studenten der Wirtschaftswissenschaft ausgewählt. Obwohl es sich dabei nur um niedrig entlohnte Stellen für die Dauer von höchstens einem halben Jahr handelt, sei dies ein wichtiges Arbeitsmarktsegment, schreiben Kaas und Manger. Denn solche Praktika verbesserten die späteren Berufsaussichten. Und noch aus einem anderen Grund ist dieser Ausschnitt des Arbeitsmarkts nach Auffassung der Autoren interessant: Zwar hat gut ein Zehntel der Studierenden an deutschen Unis einen Migrationshintergrund, in hoch qualifizierten Jobs ist diese Gruppe aber klar unterrepräsentiert.

Auf jede der in verschiedenen Jobbörsen ausgeschriebenen Stellen antworteten die Forscher mit zwei Bewerbungen, einer unter deutschem, einer unter türkischem Namen. Die zugehörigen Lebensläufe unterschieden sich nur in Details, beide fiktive Personen waren deutsche Staatsbürger mit deutscher Muttersprache. Die Bewerbungsfotos waren so gewählt, dass der Bewerber sowohl deutsch- als auch türkischstämmig hätte sein können. Welcher Lebenslauf mit welchem Namen und Foto kombiniert wurde, entschied bei jeder Bewerbung aufs Neue der Zufall. So können Kaas und Manger ausschließen, dass sich ihre Ergebnisse auf Differenzen zwischen den beiden konstruierten Bewerberprofilen zurückführen lassen.

Mehr Informationen, weniger Diskriminierung. Lediglich in einer Hinsicht unterschieden sich die beiden pro Stelle verschickten Bewerbungen: Zwar verzeichneten beide Lebensläufe zwei Nebenjobs. Jeweils eine Bewerbung enthielt jedoch auch die zugehörigen Arbeitszeugnisse, die andere nicht. Vergleicht man nur die Erfolgsquoten der Bewerbungen mit Arbeitszeugnissen, so zeigt sich kein signifikanter Unterschied mehr zwischen den Erfolgsquoten der unter deutschen oder türkischen Namen verschickten Mappen. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass es sich bei der Skepsis der Arbeitgeber gegenüber türkischstämmigen Bewerbern um so genannte statistische Diskriminierung handelt. Das heißt, die Personalverantwortlichen haben zwar bestimmte – negative – Stereotype im Kopf. Sie sind im konkreten Fall aber bereit, ihre Vorstellungen zu korrigieren, sobald sie nähere Informationen über einen Bewerber bekommen.

Dies könnte auch erklären, warum das beobachtete Maß an Diskriminierung verglichen mit Resultaten ähnlicher Studien in anderen Ländern noch relativ moderat ist: Wenn die Vorurteile gegenüber einem Bewerber mit zunehmender Informationsmenge schrumpfen, könnte es für Migranten immerhin ein Vorteil sein, dass es in Deutschland üblich ist, sich von Anfang an mit recht umfangreichen Unterlagen zu bewerben, schreiben die Konstanzer Forscher.

Um die Diskriminierung am Arbeitsmarkt zu bekämpfen, empfehlen sie, den Prozess der Bewerberauswahl in Unternehmen möglichst weit zu standardisieren. Denn Kaas und Manger vermuten, dass der beobachtete Einfluss der Unternehmensgröße auf die Diskriminierung von Bewerbern auf unterschiedliche Verfahren zurückgeht: Formalisierte Entscheidungsprozesse in Großunternehmen ließen weniger Vorurteile zum Zuge kommen, als wenn der Chef spontan allein entscheidet – wie es in Kleinbetrieben häufig der Fall sei.

  • Wenn der Name türkisch statt deutsch klingt, werden Bewerber seltener zum Vorstellungsgespräch eingeladen - auch wenn die Lebensläufe sich in jeder anderen Hinsicht gleichen. Zur Grafik

Leo Kaas and Christian Manger: Ethnic Discrimination in Germany’s Labour Market: A Field Experiment, in: German Economic Review, Februar 2012.

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