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Magazin Mitbestimmung

Interview: "Equal Pay kostet Geld"

Ausgabe 05/2012

Christiane Benner, Vorstandsmitglied der IG Metall und verantwortlich für den Bereich Zielgruppen und Gleichstellung, erklärt ihre Strategie, um die gleich Bezahlung gleichwertiger Arbeit in den Betrieben durchzusetzen.

In einem Flyer der IG Metall heisst es, in den Tarifverträgen gelte grundsätzlich „gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit“. Heisst das, alles ist in Butter für Frauen in IG-Metall-Betrieben?
Das ist ganz unterschiedlich. In der Metall- und Elektroindustrie, in der über 70 Prozent unserer Mitglieder beschäftigt sind, haben wir durch den Entgeltrahmentarifvertrag, genannt ERA, eine gute Ausgangsbasis für eine diskriminierungsfreie Bezahlung. In der westdeutschen Textil- und Bekleidungs­industrie, in der es im Gegensatz zu ostdeutschen Textilbetrieben keinen ERA gibt, ist das problematischer: Da ist ein Zuschneider höher eingruppiert als viele gleichwertige Tätigkeiten von Frauen.

Also: Tarifvertrag gut, alles gut?
Tarifverträge müssen in den Betrieben umgesetzt werden. Bei der Einführung von ERA haben die Arbeitgeber oft systematisch versucht, auf Kosten von Frauen zu sparen. Als Tarifsekretärin war ich bei vielen Schlichtungsverfahren dabei. Vielfach wurden Tätigkeiten von Teamassistentinnen unter Wert beschrieben, um sie entsprechend niedriger eingruppieren zu können. Es gab Versuche, Frauen, die ganze Sekretariate leiteten, unterhalb des Eckentgelts zu entlohnen. In vielen Fällen konnten wir das verhindern, indem wir durchsetzten, dass ihre Aufgaben korrekt beschrieben wurden. Eine anderes Beispiel ist die tarifliche Leistungszulage. Ohne gute Betriebsvereinbarungen dazu wird sie meist nach Gutdünken unter den Beschäftigten verteilt, und dann bekommen Männer in der Regel höhere Zulagen als Frauen.

Was will die IG Metall dagegen unternehmen?
Derzeit arbeiten wir in einer Arbeitsgruppe für die Textil- und Bekleidungsindustrie an einem gemeinsamen Entgelttarifvertrag. Dieser soll die teilweise diskriminierenden Regelungen in den alten Lohn- und Gehaltsrahmentarifverträgen ersetzen. Ich glaube, es kommt darauf an, das Thema Gender Pay Gap möglichst konkret vor Ort in den Unternehmen anzupacken. Betriebsräte müssen geschlechterdif­ferenzierte Entgeltdaten einfordern und diese analysieren. Notwendig wäre auch, dass Führungskräfte geschlechtersensibel geschult werden. Im Herbst werden wir in vielen Betrieben Entgeltvergleiche zwischen Männern und Frauen durchführen. Ich rechne da mit acht bis zwölf Prozent Unterschied.

Müssen die Frauen mit so einem Wert leben?
Hoffentlich nicht mehr allzu lange! Die IG Metall hat jedenfalls beschlossen, das Thema Entgeltdiskriminierung von Frauen anzupacken. Das geht sicher nicht von heute auf morgen, und wir müssen uns auf Konflikte einstellen, denn selbst eine schrittweise Umsetzung von Equal Pay kostet die Unternehmen Geld. Und schließlich müssen wir auch mehr Frauen dazu bewegen, sich in Entgeltfragen zu engagieren. Die Entgeltkommissionen sind nämlich hauptsächlich mit Männern besetzt. Wir versuchen gezielt, mehr Frauen für unsere Bildungsangebote zu Entgelten und Arbeitsbewertung zu gewinnen.

Das Gespräch führte Stefan Scheytt.

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