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Informationen zum Digitalen Arbeiten Plattformoekonomie

Auf einen Blick: Crowdwork, Crowdsourcing, Plattformökonomie

Plattformarbeit und Crowdwork sind in der digitalen Arbeitsgesellschaft auf dem Vormarsch. Welche Formen von Plattformarbeit es gibt, wie sich Crowdworker:innen organisieren und an welchen Stellen Regulierung sinnvoll ist, zeigt unser Forschungsüberblick.

[zuletzt aktualisiert am 23.06.2023]

YouTube, Uber, Lieferando: Immer mehr Menschen arbeiten im Dienst neuartiger digitaler Plattformbetreiber, oft zu schlechten, unsicheren oder intransparenten Bedingungen. Oft tragen sie als Selbstständige große Risiken, obwohl die Arbeit viele Kriterien eines Angestelltenverhältnisses erfüllt.

Initiativen wie „Liefern am Limit“, die Gründung von Betriebsräten bei Essenslieferdiensten und die Initiative einer „YouTubers Union“ zeigen: CrowdworkerInnen fangen an, sich zu organisieren und sind nicht länger bereit, beinahe ohne Rechte und isoliert nach den Spielregeln des neuen Plattformkapitalismus zu arbeiten. Dies ist eine dringend notwendige Entwicklung, denn bislang sind sie oft auf sich allein gestellt und kaum abgesichert.

Ende 2020 hat das Bundesminsterium für Arbeit und Soziales ein Papier mit Eckpunkten für eine faire Regulierung von Plattformarbeit veröffentlicht. Vor welchen Herausforderungen die Politik dabei steht, vermitteln unsere aktuelle Studien und Praxisbeispiele, die wir im Folgenden zusammengestellt haben.

ARBEITEN FÜR DIE PLATTFORM: DREI beispiele ÜBER DIE VERÄNDERUNG der Arbeitswelt

Der Fahrdienstvermittler Uber, der in den USA das autonome Fahren mit vorantreibt, sieht sich in Deutschland als preiswerte und zeitgemäße Alternative zum konventionellen Taxi. Doch sie hat einen Preis: Der Druck auf Arbeitsstandards steigt.

Die Beherbergungsbranche klagt über die hohen Provisionen der Buchungsportale. Es besteht die Gefahr, dass die Hoteliers den finanziellen Druck an die Beschäftigten weitergeben.

Für ein oder zwei Dollar die Stunde arbeiten Menschen für die Vision des selbstfahrenden Autos. Das könnte ein Vorgriff auf die Arbeitswelt von morgen sein.

CROWDWORKING UND PLATTFORMÖKONOMIE – WAS IST DAS EIGENTLICH?

Hinter dem Sammelbegriff ‚CrowdWorkerInnen‘ steckt eine ganze Bandbreite von Jobs, meist im Internet. Sie reicht von einfachsten Tätigkeiten zum schnellen Nebenverdienst bis hin zu komplexen Projekten. Eine Übersicht.

Was sind die Organisationsprinzipien und Funktionsweisen onlinezentrierter Plattformunternehmen? Unsere Studie zeigt am Beispiel Foodora, welche Auswirkungen Apps und Algorithmen auf die praktische Arbeit der angestellten und freien Mitarbeiter hat. Das Ergebnis: Die Möglichkeiten zur Partizipation für Arbeitsanbietende sind meist nur vordergründig niederschwellig angelegt. Und: Es herrscht das Prinzip der Kontrolle durch Technik.

Wie organisieren Crowdwork-Plattformen die Partizipation von CrowdworkerInnen in arbeits- und unternehmensbezogenen Themen? Unsere Studie untersuchte sechs Plattformen: Können CrowdworkerInnen sich informieren, melden, diskutieren und abstimmen? Und über welche Inhalte? Das Fazit der Forscher: Partizipation ist auf manchen Plattformen zwar möglich, aber sie ist ausbaufähig.

Wird die App zum Boss? Essenslieferanten wie Foodora oder Deliveroo versprechen ihren Fahrern flexibles und selbstbestimmtes Arbeiten. Tatsächlich herrscht ein ausgefeiltes digitales Kontrollregime.

WELCHE RECHTE HABEN „CROWDWORKER“?: BESCHÄFTIGUNG ZWISCHEN SELBSTSTÄNDIGKEIT UND ABHÄNGIGKEIT

Crowdworker verfügen zwar über eine Art von Autonomie, die es in klassischen Beschäftigungsverhältnissen nicht gibt: Sie brauchen keinen Auftrag anzunehmen, den sie nicht wollen. Trotz formaler Unabhängig sind die Akteure auf den Plattformen jedoch keineswegs. Wer als Crowdworker bewusst oder unbewusst von der gewünschten Norm abweicht, wird nicht getadelt, sondern muss Abstriche bei seinem Ranking hinnehmen und bekommt die schlechteren Aufträge, wie diese Studie aus dem jahr 2020 zeigt. 

"Alles hängt am Arbeitnehmerstatus": Die wissenschaftliche Direktorin des HSI, Johanna Wenckebach, erklärt, wie digitale Geschäftsmodelle einen zentralen Rechtsbegriff aushöhlen – und wie man Arbeitskräfte trotzdem absichern kann.

Die IG Metall arbeitet neuerdings mit der „Youtubers‘ Union“ zusammen, die die Interessen von Kreativen auf dem Videoportal vertritt. Inzwischen hat die Gruppe mehr als 19.000 Mitglieder. Sie kritisiert, der Konzern aus Kalifornien würde zunehmend wirtschaftlichen Druck auf Youtuber ausüben, dabei extrem intransparent agieren und so womöglich illegal handeln. „Es gibt Indizien, dass Youtuber Arbeitnehmer sind“, sagt Thomas Klebe (HSI) im Interview.

Die Arbeitskräfte der Crowd sind oft auf sich allein gestellt, haben wenige Rechte und sind kaum abgesichert. Sie werden von Unternehmen ausgenutzt – das könnte auch reguläre Arbeitsverhältnisse unter Druck setzen.

Was bedeutet es, wenn Wissen von Menschen aus aller Welt über das Netz angezapft wird, welche Verantwortung haben die Plattformbetreiber für die Crowdworker und sind Erwerbstätige, die über eine Plattform arbeiten, wirklich Selbständige? Ein Podcast des DGB.

Wie lassen sich KlickarbeiterInnen besser absichern? Ein Forscher schlägt ein Modell vor, das sich die Digitalisierung selbst zunutze macht.

Wer wirksam die Interessen von Beschäftigten vertreten will, muss mit ihnen kommunizieren. Dafür gibt es (im besten Fall) unter anderem Betriebsversammlungen, Sprechstunden beim Betriebsrat, gewerkschaftliche Flugblätter oder Plakate. Das Problem: Die Digitalisierung macht solche traditionellen Formate zum Teil obsolet. Welche gesetzlichen Möglichkeiten Betriebsräte und Gewerkschaften ausschöpfen können, um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, hat Wolfgang Däubler in einem Gutachten für das HSI analysiert.

Die Selbständigkeitsformen von Crowdworkern und Plattformbeschäftigten weisen ähnliche Machtungleichgewichte wie herkömmliche Arbeitsverhältnisse auf. Ein Gutachten der HSI untersucht die Umsetzbarkeit von Kollektivvereinbarungen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von wirtschaftlich abhängigen Solo-Selbständigen im Hinblick auf Arbeits- und Kartellrecht.

2022 hat die Europäische Kommission Leitlinien verabschiedet, um sicherzustellen, dass das EU-Wettbewerbsrecht die Bemühungen dieser Solo-Selbständigen, sich zu organisieren und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, nicht behindert.

DIGITALE SOLIDARITÄT: CROWDWORKERINNEN KÄMPFEN FÜR MEHR RECHTE

Die Beschäftigten in der Plattformökonomie wollen mehr Mitsprache. Um ihre Forderungen durchzusetzen, braucht es Zusammenarbeit mit Gewerkschaften sowie Regulierung durch den Gesetzgeber. Über den sich formierenden Widerstand berichtet unser Böckler Impuls.

Auch wenn solche Plattformen die Möglichkeiten einer flexiblen Beschäftigung erhöhen können, unterwandern sie die traditionelle Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die zur Durchsetzung von Arbeitsgesetzen und Umsetzung der Mitbestimmung erforderlich ist, schreibt Steven Hill in seiner Kolumne auf mitbestimmung.de. Die Vertreter der Arbeitnehmerinteressen müssen deshalb neue Strategien entwickeln.

Fahrradkurier Orry Mittenmayer war ein Initiator des ersten Betriebsrats beim Essenslieferdienst Deliveroo und Mitbegründer der branchenübergreifenden Vernetzungsplattform „Liefern am Limit“. Was treibt ihn an? Unser Interview im Magazin Mitbestimmung.

Arbeitskämpfe in der Gig-Economy? Anne Degner und Eva Kocher beschreiben in einem Aufsatz die Protestbewegungen der Foodora- und Deliveroo-Rider und Rechtsfragen ihrer kollektiven Selbstorganisation.

2017 initiierte die IG Metall eine Ombudsstelle zur Schlichtung von Streit zwischen Plattformen und ihren Clickarbeitern. Eine Idee, die sich bewährt hat. 

Im Jahr 2022 untersuchte eine Studie empirisch die Ombudsstelle für Crowdwork. Sie zeigt, die Ombudsstelle ist wirksam bei der Lösung von Konflikten zwischen Crowdworkern und Plattformen, unabhängig von nationalen Grenzen, und fördert den sozialen Dialog, obwohl sie begrenzt ist und keine Sanktionsmöglichkeiten hat.

Die EU legt einen Vorschlag für eine Richtlinie vor, die darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen von Gig-Workern zu verbessern, indem klare Kriterien festgelegt werden, um den Arbeitnehmerstatus von Plattformarbeitern zu bestimmen. Dadurch sollen den Arbeitnehmern mehr Rechte gewährt und ihre soziale Absicherung gewährleistet werden. 

Was im Entwurf der EU-Regulierung steht, welche Verbesserungen für die Beschäftigten möglich sind und warum entstehende Reformen nicht nur die Plattformarbeit, sondern die vielen unterschiedlichen Formen der Arbeit 4.0 gesetzlich abdecken müssen, erklärt Johanna Wenckebach im Podcast "Systemrelevant".

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