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HBS Böckler Impuls

Standort: Wirkungsvolle Drohgebärden

Ausgabe 05/2007

Betriebe in der Verlustzone ziehen die Notbremse und gehen ins billigere Ausland, so die landläufige Vorstellung. Tatsächlich sind es häufig gesunde Unternehmen, die Verlagerungen ankündigen. Den Beschäftigten bringen Standortdebatten trotzdem oft Einbußen.

In jedem sechsten deutschen Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten stand in den vergangenen Jahren das Thema Standortverlagerung auf der Tagesordnung, im Westen etwas häufiger als im Osten. Doch längst nicht jede Debatte endet mit der Demontage von Maschinen. Das zeigt eine aktuelle Sonderauswertung der WSI-Betriebsrätebefragung 2004/ 2005. In 43 Prozent der Betriebe, in denen das Management eine Verlagerung - von ganzen Betrieben oder einzelnen Abteilungen - ins Spiel brachte, kam es am Ende nicht dazu. Besonders groß ist die Diskrepanz zwischen Ankündigung und Umsetzung in Großbetrieben. Allerdings: In fast jedem zweiten der Betriebe, die letztlich am angestammten Ort blieben, verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen. Hier mussten die Belegschaften oft Einbußen beim Gehalt oder längere Arbeitszeiten hinnehmen.

Dabei geht es Unternehmen, in denen Standortüberlegungen angestellt werden, wirtschaftlich überdurchschnittlich gut. Als schlecht oder eher schlecht beurteilen die Betriebsräte die Situation nur in 17 Prozent dieser Betriebe. Bei Betrieben ohne Standortdebatte sind es 27 Prozent. Standortverlagerungen sind auch nicht gleichbedeutend mit einem Umzug ins Ausland. Insgesamt überschreiten Unternehmen nur in etwa jedem vierten Fall Deutschlands Grenzen. Dabei gibt es allerdings deutliche Branchen- und Bereichsunterschiede: Am häufigsten ziehen Produktion und Vertrieb um.

Unternehmen reagierten mit ihren Umzugsideen oft nicht auf eine Notlage, resümieren die Forscher - "es ist eher zu vermuten, dass sie ihre recht gute wirtschaftliche Situation sichern beziehungsweise verbessern wollen". Eine Herausforderung für Betriebsräte: Einerseits sehen sie sich in der Pflicht, Beschäftigung im Betrieb zu sichern - auch durch Konzessionen. Andererseits müssen sie abwägen, inwiefern das Management mit der Androhung einer Standortverlagerung "eventuell nur ,pokert‘, um Arbeitsstandards zu senken".

  • Besonders in Großbetrieben werden Verlagerungen öfter angekündigt als umgesetzt. Zur Grafik

Elke Ahlers, Fikret Oez, Astrid Ziegler: Standortverlagerungen in Deutschland - einige empirische und politische Befunde, edition der Hans-Böckler-Stiftung, Nr. 194, Düsseldorf 2007. pdf-download

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