zurück
HBS Böckler Impuls

Lohnpolitik: Mehr Geld, mehr Jobs

Ausgabe 05/2007

Wie wirken sich unterschiedliche Lohnerhöhungen auf Wachstum und Beschäftigung aus? Das IMK hat mit Hilfe seines makroökonomischen Modells für die Financial Times Deutschland drei mögliche Szenarien durchgespielt.

Die Lohnerhöhungsszenarien werden jeweils mit einer Situation verglichen, in der die Effektivlöhne pro Beschäftigtem um etwa ein Prozent im Jahr wachsen. Dabei handelt es sich nicht um die tariflich vereinbarten Erhöhungen der Stundenlöhne; diese waren in den vergangenen Jahren um einiges höher. Die Zunahme von Minijobs und der Abbau von übertariflichen Leistungen führten dazu, dass aus den vereinbarten Tariferhöhungen pro Stunde nicht mehr entsprechende Steigerungen der Effektivlöhne pro Kopf resultierten. Das Modell zeigt, wie sich privater Verbrauch und Exporte, Wirtschaftswachstum und Beschäftigung innerhalb von drei Jahren entwickeln. Reaktionen der Europäischen Zentralbank (EZB) auf eventuell höhere Preissteigerungen werden berücksichtigt. Die Ergebnisse der Simulationsrechnungen:

Szenario 1: Die Löhne steigen gar nicht. Wenn es in einem Jahr keinerlei Lohnerhöhungen gibt, drückt das den privaten Konsum im zweiten Jahr um knapp ein halbes Prozent. Auch das Wachstum insgesamt und die Beschäftigung werden in Mitleidenschaft gezogen. Die etwas besseren Exporte - im dritten Jahr wachsen sie zusätzlich um 0,2 Prozent - können die Entwicklung nicht auffangen, denn der private Verbrauch hat auch beim Exportweltmeister ein deutlich stärkeres Gewicht: Er macht rund 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. "Als großes Land kann Deutschland nicht auf Lohnzurückhaltung als Mittel zur Konjunkturstimulierung setzen", analysiert IMK-Experte Rudolf Zwiener. "Die dadurch bewirkte binnenwirtschaftliche Schwäche wirkt sich negativ auf Wachstum und Beschäftigung aus."

Szenario 2: Die Löhne steigen um drei Prozent. Von höheren Löhnen profitiert zuerst der Staat, zeigt die Simulation: Er nimmt mehr direkte Steuern und Sozialversicherungsbeiträge ein. Die Verbraucher hingegen passen ihren Konsum erst allmählich an das höhere verfügbare Einkommen an. Bei drei Prozent mehr Lohn nimmt der reale private Verbrauch nach einem Jahr zusätzlich um ein halbes Prozent zu. Der positive Effekt auf das Wirtschaftswachstum ist nach drei bis fünf Quartalen am stärksten. Dann ist das Bruttoinlandsprodukt um etwa 0,2 Prozent höher als im Falle einer einprozentigen Lohnerhöhung. Anschließend reduzieren höhere Preise und niedrigere Exporte den Wachstumsgewinn nur wenig. Auch der vom stärkeren Wirtschaftswachstum angestoßene Beschäftigungsaufbau entwickelt sich zeitlich verzögert: Seinen Höhepunkt erreicht er mit 0,2 Prozent zweieinhalb Jahre nach dem Lohnanstieg.

Szenario 3: Die Löhne steigen um fünf Prozent. In diesem Fall haben sich die Effekte mehr als verdoppelt: Der Konsum wächst im zweiten Jahr im Vergleich zur Status-quo-Situation zusätzlich um über ein Prozent, das Bruttoinlandsprodukt um ein halbes Prozent. Im dritten Jahr legt die Beschäftigung ebenfalls um ein halbes Prozent zu. Allerdings ist die Inflationsrate im zweiten und dritten Jahr nach der Lohnerhöhung jeweils 0,4 Prozent höher. "Da die EZB aber auf die Inflation im gesamten Währungsraum schaut, an der Deutschland nur einen Anteil von rund 30 Prozent hat, fällt der hier dämpfende Zinsanstieg sehr gering aus ", urteilt Zwiener.

Insgesamt spricht sich der Ökonom allerdings gesamtwirtschaftlich für mehrjährige Effektivlohnsteigerungen von jeweils etwa dreieinhalb Prozent aus, entsprechend der Formel: Lohnanstieg gleich mittelfristiger Produktivitätszuwachs plus Zielinflationsrate der EZB. Das sei gesamtwirtschaftlich besser als eine einmalige Erhöhung um fünf Prozent, denn: "Die wäre zwar auch zu verkraften, doch so kommt es nicht zu unerwünschten Reaktionen der EZB und die Effekte für Wachstum und Beschäftigung sind insgesamt höher." Einzelne Branchen könnten bei den Lohnerhöhungen nach oben oder unten abweichen.


Dr. Rudolf Zwiener ist Referent für wirtschaftspolitische Beratung und Modellsimulation im Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung

  • Der Anteil der Beschäftigten, die weniger als zwei Drittel des mittleren Lohns bekommen, steigt seit zehn Jahren an. Zur Grafik

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen