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HBS Böckler Impuls

Familienpolitik: Elterngeld: Entwurf mit Macken

Ausgabe 13/2006

Das WSI hat den Gesetzentwurf zum Elterngeld unter die Lupe genommen. Ergebnis: Anreize für eine partnerschaftliche Aufteilung von Erziehungs- und Erwerbsarbeit kommen zu kurz, arbeitslose Eltern werden benachteiligt.

Das geplante Elterngeld ist grundsätzlich ein richtiges und wichtiges Instrument. Doch bei genauerer Analyse entpuppt sich der vorliegende Gesetzentwurf als Kompromiss, der keiner klaren sozial- und geschlechterpolitischen Linie folgt, so die Einschätzung des WSI. Ein eindeutiger familienpolitischer Paradigmenwechsel - hin zur vorrangigen Förderung der Erwerbstätigkeit beider Elternteile - habe nicht stattgefunden. Das zeige sich an verschiedenen Stellen:

 
  • Besonders problematisch findet das WSI, dass die im Gesetzentwurf enthaltene Teilzeitregelung nicht geeignet ist, eine "partnerschaftliche Arbeitsteilung zwischen den Eltern zu fördern". Zwar erlaubt die Elternzeitregelung seit 2001 die gleichzeitige Arbeitszeitreduzierung beider Eltern. Das geplante Elterngeldgesetz setzt jedoch klare finanzielle Anreize gegen gleichzeitige Teilzeit: Arbeiten beide Eltern mit verringerter Stundenzahl, bekommen sie statt 14 Monate maximal 7 Monate lang Elterngeld. Die Folge: Haben beide Elternteile ihre Arbeitszeit um 50 Prozent reduziert, erhalten sie nur die Hälfte der Summe, die ein Paar bekommt, das nacheinander für jeweils mindestens zwei Monate in Vollzeit Elternzeit nimmt.
    Der Bund spare auf Kosten der Paare, die eine egalitäre Arbeitsteilung anstreben, so WSI-Wissenschaftlerin Silke Bothfeld. Damit falle die vorgeschlagene Regelung hinter die Errungenschaften des Elternzeitgesetzes zurück und fördere erneut die traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in den ersten Lebensmonaten des Kindes.
  • Es sei inkonsequent, dass auch nicht erwerbstätige Elternteile den Sockelbetrag von 300 Euro erhalten. Dieser Leistungsanspruch  begünstige die  freiwillige Nichterwerbstätigkeit von Elternteilen - in aller Regel den Müttern - mit einem gut verdienenden Partner.
  • "Die Schlechterstellung von unfreiwillig nicht erwerbstätigen Eltern wird dagegen in Kauf genommen", so das WSI. Die Höhe des Elterngeldes orientiert sich nur am Erwerbseinkommen während der letzten 12 Monate vor der Geburt des Kindes. Deshalb wird eine eigenständige Existenzsicherung durch das Elterngeld für viele Mütter und Väter, die in diesem Zeitraum - auch nur zeitweise - ohne Job waren, nicht möglich sein. Das WSI schlägt daher vor, Ausfallzeiten bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen und den Bemessungszeitraum in bestimmten Fällen auf 24 Monate zu verlängern, wie es beim Arbeitslosengeld I möglich ist.
    Nach der geplanten Regelung fahren Eltern, die vor der Geburt Arbeitslosengeld I bezogen haben, mit dem neuen Elterngeld in vielen Fällen schlechter als solche, die ALG II und zusätzlich den Sockelbetrag von 300 Euro bekommen. Ein Beispiel für die Inkonsistenz der Neuregelung.

     

Ähnlich wie die frühere Arbeitslosenhilfe sei das Elterngeld ein Zwitter aus Versicherungs- und Sozialleistung. Aufgebracht werden die voraussichtlich zusätzlichen 1,5 Milliarden Euro jährlich aus Steuermitteln, die Auszahlungen richten sich - oberhalb des Sockelbetrages - jedoch nach der Höhe des früheren Erwerbseinkommens. Konsequenter wäre nach Ansicht des WSI eine Konstruktion als reine Versicherungsleistung gewesen. So hätte sich ein klarer Zusammenhang zwischen Beitrag und Leistung herstellen lassen - nach dem Vorbild der schwedischen Elternurlaubsversicherung.

  • Wer im Jahr vor der Elternzeit arbeitslos war, erhält nur ein reduziertes Elterngeld. Zur Grafik
  • Arbeiten beide Partner zu halber Kraft weiter, dann fällt das Elterngeld am geringsten aus. Zur Grafik

Silke Bothfeld: Das Elterngeld - Anmerkungen zum Unbehagen mit der Neuregelung, in: femina politica, 2/2006.

mehr Infos zum Thema: Impuls 8/2006; Monitor Arbeitsmarktpolitik

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