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Maurice Chevalier: Paris sera toujours Paris (1939) Paris sera toujours Paris! La plus belle ville du monde Malgré l‘obscurité profonde Son éclat ne peut être assombri Magazin Mitbestimmung

Politisches Lied: Die Stadt des Lichts

Ausgabe 06/2019

Während sich Paris auf den Krieg vorbereitete, sang Maurice Chevalier gegen die Finsternis an und landete damit im Herbst 1939 einen Hit. Von Martin Kaluza

Maurice Chevalier: Paris sera toujours Paris (1939)

Paris sera toujours Paris! 

La plus belle ville du monde 

Malgré l‘obscurité profonde 

Son éclat ne peut être assombri

Als der Zweite Weltkrieg beginnt, bleibt die Lage in Paris erst einmal ruhig. Zwar erklären Frankreich und Großbritannien Deutschland zwei Tage nach dem Angriff auf Polen, am 3. September 1939, den Krieg. Doch entlang der Saar und der Maginot-Linie denken weder deutsche noch französische Soldaten daran, zu schießen. Monate dauert dieser seltsame Zustand, der als „Sitzkrieg“ in die Geschichte eingehen wird. In Frankreich wähnt man sich für einen Krieg gewappnet. Hatte man nicht schon den letzten gewonnen?

Die Stadtverwaltung von Paris verpackt Statuen, um sie zu schützen. Museen hängen Bilder ab, nachts werden Straßen und Häuser verdunkelt. Gasmasken werden verteilt. Am 24. November 1939 nimmt ein sonniger Entertainer mit Strohhut einen beschwingten Song über all das auf. Maurice Chevalier singt: „Paris wird immer Paris bleiben!/Die schönste Stadt der Welt/Trotz tiefer Finsternis/Kann ihr Glanz nicht verdunkelt werden“. Der Song wird zum Hit des Herbstes 1939. 

Im Mai 1940 greifen die deutschen Truppen schließlich an. Frankreich kapituliert binnen Wochen, am 14. Juni marschieren die Besatzer in Paris ein. Chevalier spielt zunächst weiter Revuen im Casino de Paris. In seinen Erinnerungen schreibt er: „Paris ist keineswegs trist.“ Doch schon bald gerät der Entertainer in die Klemme: „Die deutschen Behörden versprechen mir den größten Triumph, den man sich vorstellen könne, wenn ich ein Engagement in der Scala in Berlin annähme.“ Chevalier weigert sich. Auch im besetzten Paris spielt er nicht mehr.

Er sagt aber einen anderen Auftritt zu – ohne Presse, ohne Ankündigung: Er singt vor französischen Kriegsgefangenen im Lager Alten-Grabow, in dem er selbst im Ersten Weltkrieg gesessen hatte, und handelt aus, dass als Gegenleistung zehn französische Gefangene freigelassen werden. Eine Zeitung erfährt von dem Auftritt in Deutschland, die Gerüchte überschlagen sich. Es heißt, Chevalier habe eine Tournee durch Deutschland gemacht. In einem Londoner Radiosender wird er von einem Franzosen der Kollaboration bezichtigt. Mit Mühe kann er seinen Ankläger überzeugen, dass die Gerüchte nicht stimmen. 1944 wird Paris befreit. 

Chevalier tritt wieder auf. In alter Leichtigkeit repräsentiert er noch Jahrzehnte lang den Pariser Charme, dreht Dutzende Filme und gewinnt 1959 den Ehrenoscar. Casimir Oberfeld, der Komponist des Paris-Songs, erlebt das erneute Erstrahlen des Glanzes nicht mehr. Er stirbt Anfang 1945 in Auschwitz bei einem Todesmarsch. „Paris sera toujours Paris“ hat eine Coda: 2014 geht die Sängerin Zaz mit dem legendären Quincy Jones ins Studio, einem Star, der auch Michael Jacksons „Thriller“ produziert hatte. Sie nehmen Chevaliers Stück für ein Album mit Paris-Songs auf. Das Video ist süßlich auf nostalgischen Charme getrimmt. 

Nur Monate später erschüttern Anschläge auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo, später auf Cafés, Supermärkte und die Konzerthalle Bataclan die Stadt. In einem Interview sagt Zaz: „Das war schrecklich, und in meiner Umgebung kennt jeder ein Opfer. Aber wenn uns das von der Kultur abhalten würde, hätten die ja gewonnen. Nein, diese Leute gewinnen auf keinen Fall. Ich sehe nur noch Menschen, die sich nicht unterkriegen lassen, die weitermachen – für die Freiheit.“  

 

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