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Bob Marley: War (1976) Until the philosophy which holds one race superior And another inferior Is finally and permanently Discredited and abandoned Everywhere is war Magazin Mitbestimmung

Politisches Lied: Des Kaisers Rede als Reggae

Ausgabe 04/2019

1976 griff Bob Marley in seinem Song "War" die Rede von Haile Selassie vor der UN-Vollversammlung auf.

Until the philosophy which holds one race superior

And another inferior 

Is finally and permanently 

Discredited and abandoned

Everywhere is war

 

Am 4. Oktober 1963 hält der äthiopische Kaiser Haile Selassie I. in New York vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen ein flammendes Plädoyer für den Weltfrieden. Afrika ist gerade voller Hoffnung. Allein im Jahr 1960 haben 17 Staaten ihre Unabhängigkeit erklärt. Nur wenige Monate vor seiner Rede durfte der Kaiser die Gründung der Organisation für Afrikanische Einheit erleben, und zwar in Addis Abeba, der Hauptstadt Äthiopiens. Die Geschichte des Landes ist einzigartig – es ist der einzige afrikanische Staat, der niemals kolonisiert worden ist.

In seiner Rede lobt Haile Selassie die Anstrengungen von US-Präsident John F. Kennedy, die Rassendiskriminierung in den USA zu beenden. Gleiches fordert er auch für Afrika: „Bis die Ideologie, nach der eine Rasse der anderen überlegen ist, endgültig und dauerhaft verdammt und abgeschafft ist (…) und bis die Hautfarbe eines Menschen nicht mehr Bedeutung hat als die Farbe seiner Augen (…), wird der afrikanische Kontinent keinen Frieden kennen.“ Er zielt mit diesen Sätzen insbesondere auf Staaten wie Angola, Mosambique und Südafrika, wo noch immer Rassentrennung herrscht. 13 Jahre später, 1976, wird die Rede des äthiopischen Kaisers zum Hit. Der Reggaemusiker Bob Marley vertont die Ansprache, ändert Details und ersetzt die Worte „kein Frieden“ durch ein stärkeres Wort: Krieg. Der Song „War“ ist ihm so wichtig, dass er ihn fortan auf fast allen Konzerten spielt.

Bob Marley, aufgewachsen in den Slums von Kingston, ist gerade mit seinem Hit „No Woman, No Cry“ zum Weltstar aufgestiegen – dem ersten übrigens, der aus einem Land der Dritten Welt stammt. Er singt gegen die andauernde Ausbeutung der Schwarzen an, gegen Kolonialismus und Hunger, er fordert soziale Gerechtigkeit und macht sich für ein schwarzes Selbstbewusstsein stark. 

Dass Marley die Rede Haile Selassies vertont, ist eine politische Botschaft, aber auch eine religiöse. Der Musiker ist bekennender Anhänger der Rastafari, einer in den 1930er Jahren in Jamaika aus dem Christentum entstandenen Religion, die an die Wiederkehr des Messias glaubt. Und die ist nach Überzeugung der Rastafari bereits eingetreten: Sie verehren Haile Selassie als ihren Erlöser und lebendigen Gott auf Erden. Der Name ihrer Bewegung leitet sich aus dem Prinzennamen ab, den er vor seiner Krönung führte: Ras Tafari Makonnen. „Ras“ bedeutet in der Landessprache Äthiopiens „Kopf“ und ist ein Ehrentitel. Haile Selassie lehnt es übrigens zeit seines Lebens ab, „Jah“ zu sein, der Messias. Das aber tut der Verehrung keinen Abbruch. 

Als „War“ veröffentlicht wird, ist der Kaiser bereits Geschichte. 1974 wurde er bei einem Militärputsch abgesetzt. Im Jahr darauf verstarb er. Heute vermutet man, dass er mit einem Kissen erstickt wurde. Selassies Grab wird nie gefunden. 1997, inzwischen ist auch Marley seit 16 Jahren tot, veröffentlicht ein jamaikanisches Plattenlabel eine neue Version von „War“, auf der die Stimme Haile Selassies zu hören ist: Zu Marleys Musik ist ein Mitschnitt der UN-Rede von 1963 im Original zu hören, auf Amharisch, Selassies Muttersprache.

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