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Bahtiyar Durmus, früher Taxifahrer, jetzt für Uber unterwegs: „Habe mich rechtzeitig umorientiert.“ Magazin Mitbestimmung

Mobilität: Kampf mit harten Bandagen

Ausgabe 04/2019

Der Fahrdienstvermittler Uber, der in den USA das autonome Fahren mit vorantreibt, sieht sich in Deutschland als preiswerte und zeitgemäße Alternative zum konventionellen Taxi. Doch sie hat einen Preis: Der Druck auf Arbeitsstandards steigt. Von Martin Lechtape

Bahtiyar Durmus ist immer nur einen Klick entfernt, ganz egal wo er sich gerade aufhält. Sobald ein Kunde auf der Uber-App eine Fahrt bucht, setzt sich Durmus in seinem schwarzen Mercedes in Bewegung. Der wartende Kunde kann auf der Karte seiner App live verfolgen, wie Durmus’ Fahrzeug sich durch die Straßen schlängelt. Buchen, zahlen, Trinkgeld – alles läuft per App. An einem Freitagmittag zahlt ein Uber-Kunde für eine knapp halbstündige Fahrt vom Kölner Hauptbahnhof zum Flughafen Köln-Bonn 27,63 Euro. Ein Taxifahrer hätte laut der App mytaxi zwischen 36 und 44 Euro in Rechnung gestellt.

Uber, der amerikanische Fahrdienstvermittler, der sich aufgemacht hat, das altehrwürdige Taxigewerbe zu erschüttern, wird zu einer globalen Marke. Egal ob in den USA, in Ghana, Deutschland oder in einem anderen der 70 Länder, in denen Uber-Fahrzeuge rollen – der Kunde benutzt immer die gleiche App. Der 32-jährige Uber-Fahrer Durmus war früher Taxifahrer, jetzt ist er Unternehmer. Im Sommer 2018 gründete er die Mietwagenfirma Q-Cab in Köln. Inzwischen fahren Durmus und 20 Angestellte ausschließlich für Uber. Fahrten, die über die App eingehen, an Spitzentagen bis zu 100 Aufträge, schickt Uber an die Q-Cab-Zentrale nach Köln-Ehrenfeld. Die Fahrer sind fest angestellt, nicht bei Uber, sondern bei Q-Cab.

In den USA verdienen die Fahrer oft weniger als den Mindestlohn, der in ihrem Bundesstaat gilt. Dort steht Uber für seine Arbeitsbedingungen massiv in der Kritik. Eine Studie der Georgetown University in Washington, D.C., kam zu dem Ergebnis, dass keiner der befragten Fahrer erklären konnte, wie sein Lohn zustande kommt, da die Vergütungsregeln und Preise sich ständig ändern. 38 Prozent der Fahrer wussten nicht, ob und in welcher Form sie Steuern zahlen oder ob sie selbst für den Versicherungsschutz aufkommen müssen. 

Fahrdienstplattformen wie Uber, schreibt der amerikanische Politikreformer und Campaigner Steven Hill, haben in vielerlei Hinsicht zu einem Rückschritt, etwa beim Kündigungsschutz oder der sozialen Absicherung geführt. „Deutschland oder anderen Ländern in Europa wird es genauso ergehen, wenn die Dienste nicht ordentlich reguliert werden.“ Zwar sei der angekündigte Frontalangriff auf das Taxigewerbe in Deutschland bisher ausgeblieben. „Das Unternehmen hat lediglich einen Gang runtergeschaltet“, meint Hill, der auch als Kolumnist für das Mitbestimmungsportal der Hans-Böckler-Stiftung schreibt, „es behält aber seine Präsenz und wartet ab.“

Hierzulande ist die Regulierung des Taxi- und Mietwagengeschäfts deutlich strenger als beispielsweise in den USA. Deutsche Gerichte haben 2014 entschieden, dass jeder Autofahrer, der Menschen transportiert und dafür Geld verlangt, einen Personenbeförderungsschein benötigt. Uber war bereits kurz nach seinem Markteintritt in Deutschland vor fünf Jahren gezwungen, sein Geschäftsmodell radikal zu verändern. Statt, wie geplant, mit Privatfahrern oder Soloselbstständigen zu arbeiten, vermittelt der Fahrdienstleister jetzt zwischen Kunden und Mietwagenfirmen, die eigene Fahrer beschäftigen. Zudem beschränkt Uber sich auf die lukrativen Metropolen – Köln, Düsseldorf, Berlin, München, Frankfurt und Hamburg.

Buchungen, die über die App eingehen, verteilt Uber auf die ansässigen Mietwagenunternehmen. Bahtiyar Durmus bekommt seine Fahrten per Mail in die Zentrale übermittelt. Die Vermittlungsprovision in Höhe von knapp 20 Prozent des Fahrpreises zieht Uber ihm gleich ab. „Dafür spart man sich die Kundenakquise“, sagt Durmus. Die Preise sind für ihn eine Frage des Wettbewerbs. „Die Taxis hatten in Deutschland 70 Jahre ein Monopol. Jetzt sorgen wir für frischen Wind.“ 

Das gefällt nicht jedem. Seit Uber in Deutschland Fahrten anbietet, formiert sich eine breite Front aus Juristen, Taxi-Innungen, Droschkenfahrern und Gewerkschaften gegen den Fahrdienstvermittler.

Unbestritten ist, dass Uber sich weigert, gegenüber den Fahrern die Pflichten eines Arbeitgebers wahrzunehmen. Die Verantwortung für das Arbeitsverhältnis liegt allein bei den kleinen Firmen, die für Uber arbeiten. Sie seien auch zuständig für die faire Bezahlung, so Oliver Klug, Pressesprecher von Uber Deutschland.

Doch was heißt faire Bezahlung? Der Kölner Mietwagenunternehmer Durmus zahlt seinen Fahrern zehn Euro in der Frühschicht und zwölf Euro in der Nachtschicht. Das entspricht dem, was – nach den Erfahrungen von ver.di –auch die Taxifahrer in der Domstadt verdienen. Anderswo sind die Bedingungen für Uber-Fahrer zum Teil deutlich schlechter. In Düsseldorf etwa, das ergaben Recherchen der Rheinischen Post, erhalten die Fahrer von Ubers Mietwagenpartner Ennoo zunächst nur den gesetzlichen Mindestlohn von 9,19 Euro. Um den „Grundlohn“ von 10,25 Euro zu erreichen, muss ein Fahrer sämtliche Bonuskriterien erfüllen: wenig Spritverbrauch, fast ausschließlich gute Kundenbewertungen, möglichst keine stornierten Aufträge. 

Manchmal ist Uber auch teurer

Die Mietwagenunternehmen beschäftigen selten mehr als zehn oder 20 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat ist fast nirgends zu finden. Bei den Taxiunternehmen ist das allerdings nicht grundsätzlich anders. Ein ver.di-Papier aus dem Jahr 2016 kritisiert: „Taxen haben drei Hauptpflichten zu erfüllen, die ein System, wie Uber es anbietet, nicht erfüllen kann: Beförderungspflicht – jeder Fahrgast muss befördert werden; Betriebspflicht – in der Region, wo das Unternehmen die Konzession hat, müssen regelmäßig Fahrten angeboten werden; Tarifpflicht – die Preise werden von der Kommune festgelegt.“ Letzteres verhindert, dass Taxifahrer, selbst wenn sie wollten, die Preise von Uber unterbieten können. 

In Köln kostet eine Taxifahrt pauschal 3,90 Euro plus zwei Euro für jeden gefahrenen Kilometer. Ab dem achten Kilometer sind es nur noch 1,80 Euro. Uber hingegen orientiert sich mit dem Fahrpreis nach eigener Aussage an der aktuellen Nachfrage. An Tagen wie Silvester oder Karneval kann der Preis in Köln dann schon mal in die Höhe schießen – und den von Taxis deutlich übersteigen.

Wie nachhaltig ist Uber? Von der ursprünglichen Idee der Gründer, Autos besser auszulasten, die ohnehin auf der Straße unterwegs sind, scheint wenig geblieben. „Zur Verkehrsentlastung in den Ballungsräumen trägt Uber nichts bei“, sagt Christine Behle, Mitglied des ver.di-Bundesvorstands. Die Gewerkschaft fordert, in Städten mit mehr als 150 000 Einwohnern keinen Mietwagenverkehr mehr zuzulassen. 

Durch Uber geraten die Taxiunternehmen unter Druck, den sie nach unten weitergeben. So werde schon heute der Mindestlohn vielfach unterlaufen, beispielsweise durch unbezahlte Wartezeiten, so die Erkenntnis von Frank Michael Munkler, Gewerkschaftssekretär des Fachbereichs Verkehr von ver.di in Köln. Munkler hält es außerdem für denkbar, dass Uber mit seinen Kampfpreisen „die Taxifahrer aus den Städten verdrängt, um dann später, wenn die Konkurrenz beseitigt ist, die Preise zu erhöhen“. Dem widerspricht Uber. 

Streit um die Rückkehrpflicht

Umstritten ist auch, dass die Leistung der Uber-Fahrer ständig kontrolliert wird. Zwischen null und fünf Sternchen kann ein Kunde nach Abschluss der Fahrt vergeben. Ein Fettfleck auf dem Sitzpolster oder eine verspätete Ankunft kann sofort mit einem Abzug bestraft werden. Jede Bewertung geht in das für jeden Kunden einsehbare Gesamt-Ranking des Fahrers ein. Durmus sieht darin kein Problem. „Das Uber-System schafft Transparenz und sorgt für mehr Qualität.“ 

Allmählich formiert sich in vielen deutschen Städten der Widerstand der Taxizunft gegen die Mietwagenkonkurrenz. Im April demonstrierten in Düsseldorf 1000 Taxifahrer. Mit dabei war auch Alexander Pohle, seit 25 Jahren Taxifahrer in Köln und seit zehn Jahren selbstständig. Vor allem die Nachtfahrer, die auf Partygänger angewiesen sind, würden die rückläufige Nachfrage spüren, erzählt er. 

Der Protest der Taxifahrer richtete sich vor allem gegen ein neues Eckpunktepapier von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, das Uber den Marktzugang deutlich erleichtern dürfte. Nach dem Willen des Ministers soll insbesondere die sogenannte Rückkehrpflicht abgeschafft werden. Sie schreibt Mietwagenfahrern bisher vor, dass sie nach jeder Fahrt zum Betriebssitz ihres Unternehmens zurückkehren müssen, bevor der nächste Kunde einsteigen darf. Eine ökologisch sicherlich fragwürdige Regelung, die viele Leerfahrten mit sich bringt, aber der Taxibranche bislang einen gewissen Schutz bot. Einfach am Straßenrand auf den nächsten Fahrgast zu warten ist Mietwagenfahrern, auch denen von Uber, gegenwärtig verboten. 

In vielen Städten gehen Taxiunternehmen wegen der Verstöße gegen die Rückkehrpflicht mittlerweile gegen die Mietwagenfirmen vor. So erwirkte der Taxi Ruf Köln bereits vier einstweilige Verfügungen. Sollten die Betriebe weiter gegen die Rückkehrpflicht verstoßen, droht ihnen ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro. 

 

Aber was sind profane Ordnungsgelder gegen die großen Zukunftsentwürfe, die das Uber-Management im fernen San Francisco vorantreibt? Das derzeitige Geschäftsmodell ist ja alles andere als disruptiv. Uber, das ist so etwas Ähnliches wie ein Taxi, das sich aber nicht Taxi nennen darf. Die Buchung per App, einst das Innovative bei Uber, bieten Taxiplattformen mittlerweile auch. Dass Uber mit seinem Geschäftsmodell bislang nicht den durchschlagenden Erfolg verbuchen konnte und im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,8 Milliarden US-Dollar einfuhr, liegt auch an dem Menschen, der immer noch hinter dem Lenkrad sitzt. Der ist einfach zu teuer.

Robo-Taxis brauchen keine Pausen

Doch das in San Francisco ansässige Unternehmen arbeitet längst an der Vision des fahrerlosen Mobilitätsdienstleisters. Robo-Taxis sind weitaus günstiger zu betreiben als vom Menschen gesteuerte Fahrzeuge; die sie steuernde künstliche Intelligenz ist unentwegt im Einsatz, immer hellwach und benötigt keine Mittags- oder Schlafpausen. 

Seit Jahren betreibt Uber eine Roboterauto-Sparte, die das autonome Fahren vorantreibt. Nach einem tödlichen Unfall im US-Bundesstaat Arizona im März 2018 war der Geschäftsbereich allerdings stark in die Kritik geraten. Mittlerweile hat sich Uber mit den Autokonzernen Volvo und Toyota potente Partner an Bord geholt. Die Japaner stiegen – als Teil einer vereinbarten Kooperation zur Entwicklung von Roboterautos – im vorigen Jahr mit 500 Millionen US-Dollar bei Uber ein. Die erste Flotte autonomer Toyota-Pkw soll 2021 an Uber ausgeliefert werden. Volvo wiederum präsentierte bereits im Juni dieses Jahres ein nach Uber-Spezifikationen entwickeltes, serienreifes autonomes Fahrzeug. Schon bald soll es eingesetzt werden – vorerst allerdings immer noch mit einem Uber-Mitarbeiter an Bord.

Auf zum letzten Gefecht

In der Gegenwart stehen derartige Visionen nicht zur Debatte. Vor allem nicht in den deutschen Innenstädten. Auf der Tagesordnung stehen handfeste Verteilungskämpfe in einer Branche, die sich völlig verändern und vielleicht schon in wenigen Jahren weitgehend ohne menschliche Arbeitskraft auskommen wird. Nun kommt auch noch ein neuer Konkurrent hinzu. Die Taxi-Vermittlungsplattform mytaxi, 2009 an den Start gegangen, hat kürzlich angekündigt, sich schrittweise aus dem Taxigeschäft zurückzuziehen. Das jetzt zu Daimler und BMW gehörende Unternehmen vermittelt unter dem Namen Free Now – genau wie Uber – jetzt auch Fahrten an Mietwagenfirmen. Taxiunternehmer berichteten nach Gesprächen mit mytaxi, dass Free Now sich für „einen direkten Preiskampf mit Uber“ rüstet.

Während einige Berliner Taxiunternehmer offenbar kein Problem darin sehen, mit großflächiger Uber-Werbung beklebte Taxis durch die Hauptstadt zu schicken, spitzt sich der Streit zwischen Taxifahrern und Uber-Fahrern weiter zu. Die Taxifahrer bezichtigen ihre Kollegen von der Konkurrenz des Gesetzesbruchs. Uber-Fahrer wiederum fühlen sich bedroht. Mietwagenunternehmer Durmus spricht von einer „Hetzkampagne“. Taxifahrer würden sie verfolgen, fotografieren und beschimpfen. Sogar ein Reifen eines seiner Autos sei von einem Taxifahrer zerstochen worden. „Zwei meiner Fahrer haben gekündigt, weil sie es nicht mehr ausgehalten haben“, sagt Durmus. Anfang Juni ist er mit seiner Autoflotte umgezogen, vom Stadtteil Godorf ins zentraler gelegene Ehrenfeld. Die genaue Adresse seines neuen Betriebssitzes will er lieber nicht in der Zeitung lesen. 

Uber: Eroberer mit Big Buisness

Die 2009 in San Francisco als Limousinenservice gegründete Uber Technologies Inc. bietet in rund 500 Großstädten der Welt Onlinevermittlungsdienste zur Personenbeförderung an. Die Geschäftsmodelle hat Uber an die jeweilige Gesetzeslage der Länder angepasst, in denen das Unternehmen seine Dienste anbietet. UberX und UberBlack vermitteln Fahrgäste an Mietwagen mit Fahrer, UberPop (in Deutschland 2015 verboten) an private Fahrer mit eigenem Auto, UberJump wiederum vermietet E-Tretroller und E-Fahrräder. Kürzlich wurde bekannt, dass Uber sein Angebot in Deutschland auf den Lastwagenverkehr ausdehnt: UberFreight soll per App Speditionen und ihre Kunden verbinden und insbesondere Leerfahrten verhindern.


2018 verbuchte Uber bei einem weltweiten Umsatz von 11,3 Milliarden US-Dollar einen Verlust von 1,8 Milliarden. Hinter dem Unternehmen stehen kapitalkräftige Großinvestoren wie Goldman Sachs und Google Ventures. Sie hoffen insbesondere auf einen baldigen Durchbruch bei der Entwicklung autonom fahrender Roboter-Taxis.

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