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Magazin Mitbestimmung

Das politische Lied: Grenzen – wie steht’s damit?

Ausgabe 01/2019

Harter Sound: Die Künstlerin M.I.A. wuchs als Kind tamilischer Eltern in drei Staaten auf. Bekannt wurde sie durch einen Song im Film "Slumdog Millionaire". Ihr Musikvideo "Borders" thematisiert Flucht und Migration. Von Martin Kaluza

M.I.A.: Borders (2015)

Borders – what’s up with that?

Your privilege – what’s up with that?

Boat people – what’s up with that?

The new world – what’s up with that?

Ein starkes Bild folgt auf das andere: In langen Schlangen ziehen Menschen durch die Wüste. An einem hohen Drahtzaun klettern sie empor und formen das Wort „Live“. Hunderte stehen in sandfarbenen Kaftanen dicht zusammen, so arrangiert, dass sie das Bild eines Dampfers abgeben. In ihrer Mitte sticht eine Frau heraus: die Rapperin Mathangi Arulpragasam, bekannter unter dem Künstlernamen M.I.A. „Grenzen“, singt sie, „wie steht’s damit?“

Als das Video erscheint, geht ein tragisches und politisch bewegtes Jahr zu Ende. 1,3 Millionen Menschen flüchteten 2015 aus Syrien und Afghanistan, aus dem Irak und aus afrikanischen Staaten nach Europa. 4000 Menschen ertranken im Mittelmeer. Das politische Klima heizte sich zusehends auf. Entlang der Frage von Aufnahmequoten geht ein Riss durch die Europäische Union.

Das Thema berührt die Künstlerin persönlich. „Ich bin selbst Flüchtling“, sagt sie in einem Interview. „Als Teil des multikulturellen Britanniens bin ich so etwas wie ein Vorzeigekind geworden. Ich kann mich nicht hinstellen und ihnen sagen: ‚Bleibt weg!‘ Ich muss dazu beitragen, dass Multikulturalismus und Integration funktionieren und nicht als Problem gesehen werden.“ 

Geboren ist die Tochter tamilischer Eltern in London. Im Alter von sechs Monaten zieht ihre Familie wieder zurück nach Sri Lanka. Dort hat ihr Vater Arul Pragasam in den 70er Jahren die „Eelam Revolutionary Organization of Students“ (EROS) mitgegründet. Die Rebellengruppe tritt für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden Sri Lankas ein. Die meist hinduistischen Tamilen stellen ein Achtel der Inselbevölkerung, während die überwiegend buddhistischen Singhalesen drei Viertel ausmachen.

1983 bricht ein Bürgerkrieg aus, Regierungstruppen wie Rebellen gehen mit äußerster Brutalität vor. Auf Seiten der Tamilen gilt das besonders für die Tamil Tigers, sie rekrutieren Kindersoldaten und versetzen die Insel mit Selbstmordattentaten in Angst und Schrecken. Während sich auch EROS-Mitglieder den Tamil Tigers anschließen, sucht Mathangis Vater als Vermittler zwischen Regierung und Rebellen die Deeskalation – erfolglos. 

Mutter und Tochter bringen sich in Sicherheit, zunächst in Indien und als M.I.A. zehn Jahre alt ist, gehen sie zurück nach London – als Flüchtlinge. M.I.A. rappt aus der Perspektive von Migranten und Nicht-Weißen in westlichen Ländern, sie singt für Frauen, die um ihre Rechte kämpfen, und sie scheut die Provokation nicht. Ihre Musik ist global, sie wird für Grammys und einen Oscar nominiert, ein Song ist im Kinoerfolg „Slumdog Millionaire“ zu hören.

M.I.A. nutzt ihre Bekanntheit für politische Botschaften. „Ich bin die einzige Tamilin, die in den westlichen Medien vorkommt, und ich habe die Möglichkeit, zu berichten, was in Sri Lanka passiert“, sagt sie Anfang 2009 im US-Fernsehen. „Dort findet gerade ein Völkermord statt!“ In Sri Lanka bringt ihr das vor allem bei Angehörigen der singhalesischen Mehrheit Kritik ein. In den Kommentarspalten ihrer Onlinevideos hinterlassen regierungstreue Trolle Hassbotschaften. Selbst die deutsche Band MIA bekommt nur wegen der Namensgleichheit von der blinden Wut etwas ab.

Mit „Borders“ dreht M.I.A. schließlich ein Popmusikvideo, das Flucht und Migration thematisiert.

Von Martin Kaluza, Berlin

  • M.I.A. - Cover zu dem Song Borders (Bild: shutterstock)

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