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Aber weiter Defizite bei alternsgerechten Arbeitsbedingungen: Erwerbstätigkeit von Älteren in fast allen EU-Ländern deutlich gestiegen

27.09.2018

In fast allen 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist die Erwerbsbeteiligung von Älteren in der letzten Dekade deutlich gewachsen. Besonders kräftig war die Zunahme in Deutschland, wo die Erwerbstätigenquote bei 55- bis 64-jährigen Männern zwischen 2005 und 2016 um rund 20 und unter Frauen in dieser Altersgruppe sogar um knapp 26 Prozentpunkte anstieg. Insgesamt waren in der Bundesrepublik 2016 knapp 69 Prozent der Älteren erwerbstätig. Starke Zuwächse gab es unter anderem auch in den Niederlanden, Italien, Österreich und Polen. Das zeigt eine neue, von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie.

Die Erwerbstätigkeit älterer Frauen stieg überall kräftiger an als die der Männer, doch in 25 Ländern legte auch diese zu. Lediglich in Griechenland, Zypern und Spanien arbeitete 2016 ein geringerer Anteil der Männer zwischen 55 und 64 als 2005. Angesichts der heftigen Wirtschaftskrise, die zahlreiche EU-Länder in der Zwischenzeit durchliefen, zeige sich damit ein neuer, stabilerer Trend in der Beschäftigung Älterer, konstatieren die Studienautoren Prof. Dr. Martin Brussig und Arthur Kaboth vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Anders als in früheren Rezessionen wurden Ältere nicht mehr „bei hoher Arbeitslosigkeit vom Arbeitsmarkt verdrängt“. Die von der Politik in vielen Ländern durchgesetzte Verlängerung der Lebensarbeitszeit wurde also auch durch die Krise nicht unterbrochen.

Gleichwohl ist die Erwerbstätigenquote der über 55-Jährigen in allen EU-Ländern weiterhin deutlich niedriger als die der Jüngeren. Die Differenz reicht von rund 10 Prozentpunkten in Schweden und etwa 15 Prozentpunkten in Dänemark oder Deutschland bis zu mindestens 30 Prozentpunkten in vielen osteuropäischen Ländern sowie in Frankreich, Österreich, Belgien und Luxemburg (Abbildung 4 in der Studie). Das für 2010 festgelegte „Lissabon-Ziel“ der EU von mindestens 50 Prozent Erwerbstätigenquote unter Älteren erreichten bei den Männern im Jahr 2016 24 Mitgliedsstaaten (2005: 16). Lediglich Luxemburg, Griechenland, Kroatien und Slowenien lagen darunter. In Deutschland betrug die Quote bei Männern knapp 74 Prozent. Deutlich schlechter fällt die Bilanz bei den Frauen aus: Trotz oft relativ kräftiger Zuwächse erfüllten 2016 hier lediglich zehn EU-Länder die 50-Prozent-Quote (2005: vier). In Deutschland waren 63,5 Prozent der Frauen zwischen 55 und 64 Jahren erwerbstätig.

In fast allen Ländern zeigt sich ein Zusammenhang zwischen Erwerbsbeteiligung und Qualifikation: Ältere Frauen und Männer mit geringerer Qualifikation haben deutlich seltener eine Erwerbsbeschäftigung als höher Qualifizierte. Die IAQ-Forscher raten deshalb, Qualifizierungen und berufliche Weiterbildungen deutlich stärker als bisher zu fördern – und zwar nicht nur bei älteren, sondern auch bei jüngeren Beschäftigten.

Trotz des Anstiegs sieht Studienautor Brussig zudem noch große Defizite bei der Gestaltung alternsgerechter Arbeitsbedingungen und der sozialstaatlichen Absicherung: „Wir wissen aus unserer Forschung, dass sich gleichzeitig die soziale Ungleichheit beim Altersübergang vergrößert hat. Ein guter Teil der älteren Erwerbstätigen hangelt sich über Phasen von prekärer Teilzeit-Beschäftigung oder Arbeitslosigkeit Richtung Rente. Das passiert insbesondere in körperlich anspruchsvollen Berufen und bei gesundheitlichen Einschränkungen. Wenn der Trend zur zunehmenden Alterserwerbstätigkeit dauerhaft stabilisiert werden soll, müssen Arbeitsbedingungen verbessert werden und passgenaue Lösungen für Menschen gesucht werden, die ‚zu krank für die Arbeit und zu gesund für die Rente‘ sind.“ Außerdem hält es der Experte für zwingend notwendig, die Vereinbarkeit zwischen Berufstätigkeit und Pflege von Angehörigen zu verbessern.

Weitere Informationen:

Arthur Kaboth, Martin Brussig: Alterserwerbsbeteiligung in Europa auch in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise im Aufschwung? Altersübergangsreport 01/2018.

Siehe auch Infografik: in Böckler Impuls14/2018

Kontakt:

Dr. Dorothea Voss
Leiterin Abteilung Forschungsförderung

Rainer Jung
Leiter Pressestelle

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