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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Bessere Chancen mit deutschem Pass

Ausgabe 20/2017

Ein liberales Staatsbürgerschaftsrecht erleichtert die Integration von Zuwanderern in den Arbeitsmarkt.

Aus arbeitsmarktpolitischer Sicht lohnt es sich, bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Auflagen für Einbürgerungen großzügig zu sein: Wenn man die Hürden senkt, sind Migranten beruflich erfolgreicher. Das zeigen Christina Gathmann und Nicolas Keller von der Universität Heidelberg in einer empirischen Studie. Die Ökonomen haben Daten des Mikrozensus aus den Jahren 2005 bis 2010 ausgewertet. Einbezogen in die Analyse wurden die Angaben aller Befragten, die zwischen 1975 und 2002 nach Deutschland eingewandert sind und dabei jünger als 23 waren. Der Zugang zur deutschen Staatsbürgerschaft war in diesem Zeitraum an unterschiedlich strenge Voraussetzungen geknüpft: In zwei Reformen, in den Jahren 1991 und 2000, wurde die für eine Einbürgerung nötige Wartezeit für bestimmte Gruppen von 15 auf acht Jahre reduziert. In der Folge hat sich die Zahl der Einbürgerungen deutlich erhöht: Bis 1991 waren es weniger als 20 000 pro Jahr, danach etwa 80 000. Nach dem Jahr 2000 gab es einen sprunghaften Anstieg auf 180 000, mittlerweile sind es jährlich gut 100 000.

Wenn man die für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft gesetzlich vorgeschriebene Aufenthaltsdauer zur wirtschaftlichen Situation der Einwanderer in Bezug setzt, ergibt sich ein klarer Zusammenhang: Je kürzer die Wartezeit bis zur Einbürgerung, desto besser gelingt die Integration in den Arbeitsmarkt. Der Analyse zufolge sind Migrantinnen häufiger erwerbstätig, arbeiten öfter in Vollzeit und haben eher unbefristete Jobs, wenn sie schneller einen deutschen Pass erhalten. Zudem investieren sie mehr in ihre Sprachkenntnisse. Zugewanderte Männer werden unter anderem produktiver und tun mehr für ihre berufliche Qualifikation. Gathmann und Keller erklären ihre Ergebnisse zum einen damit, dass bestimmte Tätigkeiten, etwa im öffentlichen Dienst, nur deutschen Staatsbürgern offenstehen. Darüber hinaus hätten viele Arbeitgeber wenig Interesse, in Beschäftigte zu investieren, die sich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten. Eine Einbürgerung signalisiere glaubhaft, dass man dauerhaft zu bleiben gedenkt. Umgekehrt steige auch die Bereitschaft der Migranten, sich weiterzubilden und an die Gepflogenheiten des hiesigen Arbeitsmarkts anzupassen, wenn sie sich willkommen fühlen. Alles in allem stelle ein liberales Staatsbürgerschaftsrecht mit kürzeren Wartezeiten – ähnlich wie in den traditionellen Einwanderungsländern USA, Kanada oder Australien – ein wirksames arbeitsmarktpolitisches Instrument dar, so die Autoren. 

  • In Deutschland leben über 10 Millionen Menschen ohne deutschen Pass. Zur Grafik

Integration beginnt oft am Arbeitsplatz. Hier kommen Zuwanderer und Einheimische in direkten Kontakt. Dabei ist es wichtig, dass für alle die gleichen Arbeitsbedingungen und Löhne gelten. Das betont die von der Hans-Böckler-Stiftung initiierte Kommission „Arbeit der Zukunft“ mit Blick auf Forderungen nach Mindestlohnausnahmen für Geflüchtete.

Gleichzeitig weist sie auf neue Herausforderungen hin: In der Nachkriegszeit seien Zuwanderer vor allem in der Industrie beschäftigt gewesen. Dort hätten Gewerkschaften und Betriebsräte großen Anteil daran gehabt, die Neuankömmlinge zu integrieren. Heute seien Neu-Zugewanderte zunehmend in Bereichen des Arbeitsmarktes tätig, in denen die Bezahlung schlecht ist, die Sozialstandards mangelhaft sind und Betriebsräte fehlen. Die Digitalisierung könnte die Lage noch verschärfen: Sollten reihenweise Arbeitsplätze für Geringqualifizierte wegfallen, wie in einigen Szenarien vorhergesagt, würde dies Menschen mit Migrationshintergrund besonders treffen. Nötig sei eine breite Debatte darüber, wie Zuwanderer in das duale System inte­griert werden können. Zudem müsse ein neues Einwanderungsgesetz geschaffen werden, das die Arbeitsmigration aus Drittstaaten steuert. „Ohne ein solches Einwanderungsgesetz kann es keine konsistente und wirksame Integrationspolitik geben“, heißt es im Bericht der Kommission. Mit einem professionelleren Verfahren ließen sich gut qualifizierte Flüchtlinge identifizieren, denen man im Falle eines abgelehnten Asylantrags andere Perspektiven in Deutschland aufzeigen könne. 

Christina Gathmann, Nicolas Keller: Access to Citizenship and the Economic Assimilation of Immigrants, The Economic Journal, September 2017 (online/kostenpflichtig)

Weitere Informationen zum Thema Integration:

Jan-Paul Giertz, Manuela Maschke, Nils WernerMitbestimmung als notwendige Bedingung für Integration, Mitbestimmungsreport Nr. 28 (pdf) 

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