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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Ungleichheit macht gewaltbereit

Ausgabe 20/2017

Statusunterschiede senken die Hemmung, anderen Menschen Schmerz zuzufügen. Das zeigt ein ökonomisches Experiment.

Dass soziale Ungleichheit eine enthemmende Wirkung hat, geht aus einer Studie von Armin Falk hervor. Der Ökonom von der Universität Bonn hat experimentell einen Zusammenhang zwischen Statusunterschieden und Gewalttätigkeit nachgewiesen.

Vor dem Experiment wurde die sexuelle Attraktivität der Teilnehmer anhand von Fotos bewertet. Eine weiblich besetzte Jury musste Aufnahmen der männlichen Probanden paarweise vergleichen und jeweils entscheiden, welcher der beiden Männer attraktiver ist. Für die Bewertung der Frauen war ein Männerkomitee zuständig. Die so ermittelten Differenzen in der Anziehungskraft sind laut Falk als „relative Statusunterschiede“ zu betrachten.

Für das Experiment wurden 172 Studierende in aktive und passive Teilnehmer aufgeteilt und jedem aktiven ein passiver Teilnehmer desselben Geschlechts zugeordnet. Wie die Juroren den Mitspieler eingestuft hatten, wurde den Betroffenen mitgeteilt. Anschließend mussten die aktiven Probanden eine Entscheidung treffen: Sie konnten sieben Euro kassieren und dafür in Kauf nehmen, dass der passive Teilnehmer über Elektroden am Unterarm einen gesundheitlich ungefährlichen, aber schmerzhaften Stromschlag erhält – oder das Geld ablehnen und so dem Mitspieler Schmerzen ersparen.

Die Ergebnisse zeigen einen „bemerkenswerten“ Effekt, so der Wissenschaftler. Wenn die beiden Mitspieler als sexuell genauso anziehend bewertet worden waren, also den gleichen Status hatten, entschieden sich knapp 30 Prozent der aktiven Probanden dafür, das Geld anzunehmen und damit Elektroschocks auszulösen. Wenn es dagegen Statusunterschiede zwischen den Mitspielern gab, stieg der Anteil auf fast drei Viertel – und zwar unabhängig davon, ob der passive Teilnehmer begehrenswerter oder weniger begehrenswert war. 

Der Forscher erklärt das damit, dass Statusdifferenzen zu einer „moralischen Abkopplung“ führen. Offenbar falle es schwerer, sich mit Menschen, die einen anderen Status haben, zu identifizieren und Anteil an ihrem Wohlergehen zu nehmen. Stattdessen kämen Gefühle wie Neid oder Verachtung zum Tragen. Die Folge: Es gebe weniger moralische Skrupel, diesen Personen Gewalt anzutun. Falk geht davon aus, dass die Ergebnisse seines Experiments auf andere Arten von Statusunterschieden übertragbar sind. Soziale Ungleichheit dürfte demnach generell schädlich für den gesellschaftlichen Frieden sein.

Armin Falk: Status Inequality, Moral Disengagement and Violence (pdf), DIW Discussion Paper 1676, Juli 2017

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