Forschungsprojekt: Migrantenorganisationen und Gewerkschaften in der BRD

Interessenvertretung - Kooperation - Konflikt in den 1970/80er Jahren

Projektziel

Das Projekt untersuchte Interaktionen zwischen migrantischen Selbstorganisationen und Gewerkschaften in Westdeutschland in den 1970er und 1980er Jahren an drei Orten (Hamburg, Stuttgart, Frankfurt/ Main). Ziel des Projektes war, Forderungen, Formen und Praktiken migrantischen Aktivwerdens im Verhältnis zu und in Gewerkschaften zu analysieren und ihren Effekten auf die Gewerkschaften nachzugehen.

Veröffentlichungen

Carstensen, Anne Lisa, Sabine Hess, Lisa Riedner und Helen Schwenken, 2022. Solidarität – Kooperation – Konflikt. Migrantische Organisierungen und Gewerkschaften in den 1970/80er Jahren, Hamburg: VSA Verlag, 320 Seiten.

Reichhold, Clemens, Bernd Schneider und Anne Lisa Carstensen, 2021. Migrantische Organisationen und Gewerkschaften in den 70er und 80er Jahren. Das Beispiel Frankfurt am Main, Working Paper Forschungsförderung 208, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 102 Seiten.

Projektbeschreibung

Kontext

Die jüngere deutsche Gewerkschaftsgeschichte ist eng mit der Integration von Migrant*innen in die Gewerkschaften verbunden. Dennoch ist der gewerkschaftliche Umgang mit Migrationsthemen nach wie vor nicht immer einfach. Gerade in den 1970er und 1980er Jahren nahmen Gewerkschaften in Deutschland eine ambivalente Position gegenüber den Belangen migrantischer Arbeiter*innen und Fragen der Einwanderung ein. Hierbei überlagerten sich der gewerkschaftliche Vertretungsanspruch aller Arbeitnehmer*innen mit der Furcht vor Arbeitsmarktkonkurrenz, politischem Misstrauen gegenüber migrantischen Selbstorganisationen sowie einer kontroversen Debatte um Einwanderung. Zudem entstanden im Untersuchungszeitraum neue migrantische Bewegungen. Die Analyse des gesellschaftlichen Verhältnisses zwischen organisierten migrantischen Positionen und Gewerkschaften liefert auch Anregungen für aktuelle und zukünftige gewerkschaftliche Positionierungen in der Einwanderungsgesellschaft.

Fragestellung

Das Projekt ging der Frage nach, ob und wie Gewerkschaften organisierte migrantische Forderungen und Anliegen aufgriffen, zu welchen Kooperationsverhältnissen es kam und welche Effekte diese Interaktionen auf die Gewerkschaften sowie auf migrantische Bewegungen hatten. Als Untersuchungszeitraum wurden die 1970er und die 1980er Jahre gewählt, da in dieser Phase bislang nur wenig erforschte, jedoch besonders prägende Entwicklungen bezüglich der Forschungsfrage stattfanden. Die lokale Ebene erwies sich dabei als aufschlussreiche Aushandlungsebene von konkreter Zusammenarbeit und gelebten Solidaritäten, die sich von nationalen Programmatiken unterscheidet, jedoch Rückwirkungen auf die Gesamtorganisation und ihre Politiken hat. Neben der Schließung der Forschungslücken war ein weiteres Ziel die Sicherung von Quellen mithilfe des Archiv DOMiD.

Untersuchungsmethoden

Zur Beantwortung der Frage wurde ein vergleichendes empirisch-qualitatives Forschungsdesign gewählt und Fallstudien in insgesamt drei westdeutschen Städten (Hamburg, Stuttgart, Frankfurt/Main) durchgeführt. Dabei wurden zentrale Aushandlungsfelder identifiziert und untersucht, wie sich migrantische und gewerkschaftliche Mobilisierungen zueinander verhielten.

Mittels einer Kombination von Primärquellen (Archivbestände und eigene Erschließungen) und Interviews wurden die Fallbeispiele vertiefend und vergleichend analysiert. Der Forschungsansatz beinhaltete Elemente partizipativer Forschung, welche die Kooperations- und Forschungspartner*innen als Mit-Forschende über den Forschungsverlauf mit entscheiden ließ und ihre Interessen, Vorschläge und Bedenken in die Forschung integrierte.

Die Fallstudien behandeln die Themen Beratungs- und Begegnungsarbeit, Arbeitskämpfe, Antirassismus und kommunales Wahlrecht.

Darstellung der Ergebnisse

Im Laufe der Forschungen stellte sich heraus, dass die Idee von sich gegenüberstehenden Migrant*innenorganisationen und Gewerkschaften zu statisch gedacht war. Organisationen, Themen und Felder des Engagements waren stärker miteinander verflochten, als angenommen. So fanden migrantische Anliegen Eingang in den betrieblichen und gewerkschaftlichen Alltag und in Gewerkschaftsprogrammatiken, und Migrant*innen wurden innerhalb von Gewerkschaften zunehmend sichtbar. Wir zeigen aber auch, an welchen Themen dies seine Grenzen fand und wie die offizielle Gewerkschaftspolitik immer wieder die restriktive Haltung der Bundesregierungen mittrug und Solidarität entzog.

Die Ergebnisse der Forschung stellen wir in Form von Fallstudien vor: In Hamburg untersuchten wir eine Werftbesetzung, die Protestbewegung gegen „Ausländerfeindlichkeit“ sowie das Verhältnis der Begegnungsstättenbewegung zum DGB. In Stuttgart stehen die Arbeit der alternativen Betriebsratsgruppe Plakat, der Streik um die 35-Stunden-Woche sowie die Bewegung für das Kommunalwahlrecht im Vordergrund. In Frankfurt/Main behandeln die Fallstudien die Beratungsarbeit des DGB und das türkische Volkshaus.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Helen Schwenken
Universität Osnabrück IMIS
hschwenken@uos.de

Prof. Dr. Sabine Hess
Georg-August-Universität Göttingen Institut für Kulturanthropologie/Europ. Ethnologie
shess@uni-goettingen.de

Bearbeitung

Anne Lisa Carstensen
Universität Osnabrück IMIS
anne.lisa.carstensen@uni-osnabrueck.de

Dr. Lisa Riedner
Universität Augsburg Philosophisch-Sozialwissenschaftliche Fakultät
Migration, Globalisierung und Gender
lisa.riedner@uni-a.de

Bernd Schneider

Kooperationspartner

Dr. Robert Fuchs
Dokumentationszentrum u. Museum über die Migration in Deutschland (DOMiD)
Migrationsmuseum
robert.fuchs@domid.org

Kontakt

Dr. Michaela Kuhnhenne
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
michaela-kuhnhenne@boeckler.de

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen