Projektbeschreibung
Kontext
Wenn über das Betriebsklima gesprochen wird, kommt darin zum Ausdruck, wie Beschäftigte die Qualität der Zusammenarbeit, das soziale Miteinander im Betrieb erleben. Sie beurteilen die Verhältnisse nach ihren Ansprüchen an Gerechtigkeit und Solidarität. Denn die Zusammenarbeit verschiedener Hierarchieebenen und Fachkräfte funktioniert besser, wenn "man sich versteht". Kooperation läuft reibungsloser, wenn die Arbeitenden sich gegenseitig unterstützen, auch wenn dies nicht vorgeschrieben ist. Das Phänomen Betriebsklima lässt sich auf Praktiken des Gebens und Nehmens und entsprechende Reziprozitätsbeziehungen bei der Arbeit zurückführen. In betrieblichen Veränderungsprozessen werden diese eingespielten Verhältnisse in Frage gestellt. So entstehen in Umstrukturierungsprozessen Situationen, in denen Reziprozitätsverhältnisse im einzelnen Betrieb neu austariert werden müssen.
Fragestellung
Um ein gutes Betriebsklima zu erzeugen, reicht ein einfaches "Seid nett zueinander" nicht aus. Entscheidend sind die jeweiligen betrieblichen Strukturen, Handlungen und die über einen langen Zeitraum entstandenen und unhinterfragten Routinen. All dies muss sichtbar gemacht und analysiert werden, um es gestaltbar zu machen. Untersucht wurde u.a.:
- Was wird unter Betriebsklima verstanden?
- Wie ist die Qualität des jeweiligen Betriebsklimas?
- Wie entsteht schlechtes oder gutes Betriebsklima?
- Welche Faktoren in den täglichen Arbeitsprozessen sind von Bedeutung?
- Wie beeinflusst Betriebsklima die Arbeit?
- Wie kann gutes Betriebsklima erhalten und schlechtes Betriebsklima verbessert werden?
Es wurden Voraussetzungen, Wirkungszusammenhänge und Gestaltungsansätze herausgearbeitet, die das soziale Phänomen Betriebsklima erklären und eine Gestaltung von Reziprozitätsbeziehungen nach Maßstäben von Gerechtigkeit und Solidarität ermöglichen.
Untersuchungsmethoden
Den Kern der Erhebungen bildeten Fallstudien in sechs unterschiedlichen Betrieben (Produktion, Dienstleistung, öffentlicher Dienst), in denen mit einem Methodenmix Reziprozitätsbeziehungen und -muster, deren Herstellungsprozess in der betrieblichen Praxis sowie ihre Thematisierung als Betriebsklima interpretierend rekonstruiert wurden. Dieser Methodenmix beinhaltete Dokumentenanalysen, Beobachtungen, Interviews mit Geschäftsführung, Vorgesetzten, Interessenvertretung, Beschäftigten sowie weiteren einschlägigen Expertinnen und Experten, Gruppendiskussionen, Ergebnisrückkopplungen. Literaturauswertungen sowie Interviews mit außerbetrieblichen Expertinnen und Experten ergänzten das methodische Vorgehen. Im Sinne einer kooperativen Forschung wurden die untersuchten handelnden Personen als aktiv beteiligte Subjekte in die Untersuchungen einbezogen, von der Entwicklung der Fragestellung über die Organisation des Forschungsprozesses bis zur (Zwischen-)Diskussion von Ergebnissen.
Darstellung der Ergebnisse
Im Arbeitsalltag jeder Organisation entsteht eine Ordnung der Reziprozitäten, in denen Routinen des Gebens und Nehmens zum Ausdruck kommen. Die Akteurinnen und Akteure eignen sich die etablierten Routinen an, sie wissen was zu tun ist, um ihre Arbeit auszuführen. Indem sie handeln, reproduzieren sie die Reziprozitätsordnung. Sie tun dies jedoch nicht unreflektiert, sondern im Bewusstsein der Notwendigkeit einer solchen Ordnung für das Miteinander sowie mit moralischen Vorstellungen darüber, wie es sein sollte. Im Diskurs über das Betriebsklima kommt ein kollektives Wissen zum Ausdruck darüber, ob das Geben und Nehmen gerecht und solidarisch geregelt ist. In der Klage über schlechtes Betriebsklima artikuliert sich das Spannungsverhältnis zwischen den Zwängen des Arbeitsalltags und einem moralisch geleiteten Streben nach gerechten und solidarischen sozialen Beziehungen. Ausgehend vom betrieblichen Diskurs über das Betriebsklima zeigt die Studie, dass Verhältnisse des Gebens und Nehmens reflektiert und im Sinne guter Arbeit verändert werden können und welche Aspekte dabei eine Rolle spielen anhand beispielhafter Arbeitssituationen.