Projektbeschreibung
Kontext
Mit der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns gibt es in Deutschland seit Januar 2015 erstmals eine für alle Branchen und Beschäftigtengruppen verbindliche Lohnuntergrenze. Aus der internationalen Mindestlohnforschung ist bekannt, dass die Einhaltung und Akzeptanz von Mindestlöhnen bei Beschäftigten und Unternehmen in starkem Maße davon beeinflusst werden, dass sie in der Praxis auch effektiv durchgesetzt werden. Da sich hierbei je nach Branche ganz unterschiedliche Herausforderungen stellen können, konzentriert sich die empirische Untersuchung auf ausgewählte Branchen, die sich hinsichtlich ihrer Erfahrungen mit branchenbezogenen Mindestlohnregelungen bzw. der Betroffenheit von der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns sowie ihrer Beschäftigtenstruktur unterscheiden. Von Bedeutung sind zudem die Wechselwirkungen mit dem Tarifsystem und die Frage, ob die mit dem Tarifautonomiestärkungsgesetz beabsichtigte Wirkung der Stärkung der Tarifautonomie tatsächlich erreicht wird.
Fragestellung
Die Studie zielt darauf ab, die Strategien unterschiedlicher Akteure und Akteurinnen und Institutionen zur Durchsetzung und Kontrolle von Mindestlöhnen in ausgewählten Branchen sowie deren Wirksamkeit bzw. Stärken und Schwächen zu untersuchen. Im Anschluss an die bisherigen Erkenntnisse der Forschung wird besonderes Augenmerk auf die Politik-Integration, also die Kooperation der unterschiedlichen Institutionen und Akteure einschließlich Kooperationsbarrieren, sowie die Ausdifferenzierung der Strategien in präventive, kurative, kontrollierende und sanktionierende Bestandteile gerichtet. Auf der Basis der empirischen Ergebnisse, die auch Erfahrungen mit vorbildlichen Ansätzen zur Durchsetzung von Mindestlöhnen in europäischen Nachbarländern mit einbeziehen, sollen Vorschläge entwickelt werden, wie die Durchsetzung von Mindestlöhnen in Deutschland gezielt gefördert und unterstützt werden kann.
Untersuchungsmethoden
Die empirische Untersuchung der Um- und Durchsetzung von Mindestlöhnen in drei Branchen wird mittels qualitativer Methoden durchgeführt. Vorgesehen sind rund 60 Interviews und Gruppengespräche mit Experten und Expertinnen aus Betrieben, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie Kontrollinstitutionen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Art von Verstößen gegen Mindestlöhne, die tatsächliche Nutzung und Mobilisierung der gesetzlich vorgesehen Kontroll- und Durchsetzungsinstrumente, Stärken und Schwächen von unterschiedlichen Institutionen und Akteuren bei der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten sowie rechtliche und strategische Ansatzpunkte für eine verbesserte Durchsetzung der Mindestlohnansprüche. Aus den Erkenntnissen der empirischen Erhebungen und der rechtswissenschaftlichen Bestandsaufnahme sollen Vorschläge entwickelt werden, wie die Rechtsdurchsetzung durch rechtliche und andere Instrumente verbessert werden kann.
Darstellung der Ergebnisse
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland hat zu deutlichen Steigerungen der Stundenlöhne im unteren Einkommensbereich beigetragen. Gleichzeitig gibt es jedoch deutliche Hinweise darauf, dass der Mindestlohn noch nicht flächendeckend eingehalten wird und die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) häufig Probleme bei der Aufdeckung von Verstößen hat. Die korrekte Erfassung der Arbeitszeit wird hierbei als besonders kritische Größe angesehen. Neben mehr Kontrollen könnten auch klarere Regeln zur Anrechenbarkeit von Lohnbestandteilen auf den Mindestlohnanspruch, eine engere Kooperation der FKS mit Branchenakteuren, mehr Plausibilitätsprüfungen und ein verbesserter Datenaustausch zwischen Behörden beitragen. Unbefriedigend ist zudem, dass Beschäftigte in Deutschland vorenthaltene Lohnansprüche individuell einklagen müssen. In Frankreich und Spanien können die Arbeitsinspektionen hingegen Betriebe verpflichten, vorenthaltene Löhne nachzuzahlen, ohne dass Beschäftigte auf den individuellen Rechtsweg verwiesen werden. In Deutschland könnte ein Verbandsklagerecht mehr Unterstützung bieten.