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HBS Böckler Impuls

Bildung: Vormarsch der Mädchen

Ausgabe 07/2017

In Sachen Bildung haben Frauen enorm aufgeholt. Das liegt an ihren Müttern.

Mädchen profitieren noch heute von der Bildungsexpansion der Nachkriegszeit. Sie haben höher qualifizierte Mütter als jede Generation zuvor und orientieren sich an ihnen. Zu diesem Ergebnis kommt die Frankfurter Soziologin Andrea Ziefle, die biografische Daten von mehr als 40.000 Frauen der Jahrgänge 1892 bis 1990 statistisch ausgewertet hat. Es zeigt sich, welche enormen Fortschritte Frauen in Sachen Bildung gemacht haben. Vor allem wird aber deutlich, worin die Ursachen liegen.

Ziefle unterscheidet drei mögliche Mechanismen. Erstens die allgemeine Bildungsexpansion: Über alle Schichten hinweg erwerben junge Menschen höhere Bildungsabschlüsse. Zweitens eine soziale Öffnung des Bildungssystems, also mehr Chancengleichheit – die Verhältnisse im Elternhaus spielen eine geringere Rolle. Drittens eine veränderte Zusammensetzung der Elternhaushalte: Das Bildungssystem bleibt zwar sozial selektiv und der Einfluss der Eltern entscheidend; Kinder erwerben aber höhere Abschlüsse, weil immer mehr Eltern über höhere Bildung verfügen.

Letzteres erklärt „etwa ein Drittel des gesamten historischen Anstiegs der Bildungschancen von Frauen in Westdeutschland“, so die Forscherin. Der Effekt der allgemeinen Bildungsexpansion schlägt mit 60 Prozent zu Buche, gestiegene Chancengleichheit nur mit 7 Prozent. Wobei für verschiedene Jahrgänge unterschiedliche Mechanismen dominant waren: Die in den 1950er-Jahren und früher geborenen Frauen profitierten vom „allgemeinen Anstieg der Bildungschancen quer durch alle Schichten“; ihre Töchter entstammen folglich bereits zu einem erheblich größeren Teil bildungsnahen Elternhäusern als die Generation zuvor. Eine besondere Rolle spielen dabei die besseren Abschlüsse der Mütter. Daraus dürfte sich erklären, dass die Bildungsbeteiligung von Mädchen schneller und stärker gestiegen ist, als die der Jungen, so die Forscherin.

Etwas anders verlief die Entwicklung in Ostdeutschland. Hier setzte die breite Bildungsexpansion bereits ein Jahrzehnt früher ein. Allerdings kam es in der Spätphase der DDR zu einer „planwirtschaftlichen Deckelung des Zugangs zu höherer Bildung“. Seit der Wiedervereinigung gibt es keine nennenswerten Unterschiede mehr zwischen den beiden Landesteilen.

  • Die Frauen haben aufgeholt. Zur Grafik

Andrea Ziefle: Der lange Arm der Bildungsexpansion, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 1/2017
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