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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Unsicherheit macht misstrauisch

Ausgabe 07/2017

Wenn Menschen um ihren Job fürchten müssen, leidet der soziale Zusammenhalt. Effektive Arbeitsmarktpolitik kann das verhindern.

Wenn die berufliche Zukunft ungewiss ist, hat das gravierende Folgen: Studien zeigen, dass Arbeitsplatzunsicherheit unter anderem der Produktivität, der Zufriedenheit und der Gesundheit von Beschäftigten schadet. Christoph Nguyen von der FU Berlin hat einen weiteren Effekt nachgewiesen: Auch das allgemeine soziale Vertrauen geht zurück, wenn die Angst vor Jobverlust grassiert.

Dass es einen Zusammenhang zwischen der Situation am Arbeitsmarkt und dem Vertrauensniveau in einer Gesellschaft geben dürfte, erscheine aus mehreren Gründen plausibel, schreibt der Politikwissenschaftler. Zum einen verringere Geldnot die Fähigkeit, mit Verlusten durch enttäuschtes Vertrauen umzugehen. Zum anderen hätten Arbeitslose weniger soziale Kontakte und damit weniger Gelegenheit, Zutrauen zu ihren Mitmenschen aufzubauen. Schon die Angst vor Jobverlust führe oft dazu, dass Betroffene sich zurückziehen. Tatsächlich entlassen zu werden, verletze den „psychologischen Vertrag“ zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der den Tausch von Engagement gegen Sicherheit vorsieht. Das zerstöre Vertrauen.

Den vermuteten Zusammenhang hat Nguyen anhand von Daten des European Social Survey aus den Jahren 2002 bis 2013 empirisch überprüft, die sich auf fast 90.000 Erwerbspersonen in 23 Ländern beziehen. Als Maßstab für das soziale Vertrauen dienten Angaben der Befragten, für wie zuverlässig, fair und hilfsbereit sie „die meisten Menschen“ halten. Individuelle Merkmale wie Geschlecht, Bildung oder Haushaltseinkommen sowie nationale Rahmenbedingungen wie die Einkommensungleichheit wurden bei der Analyse herausgerechnet.

Das Ergebnis: Je höher die Arbeitslosenquote im Beruf der Befragten ist, desto weniger Vertrauen haben sie in ihre Mitmenschen. Nicht nur aktuelle, sondern auch frühere Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit wirken sich negativ aus, selbst wenn die gegenwärtige Arbeitsmarktsituation stabil ist. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Politik: Der Zusammenhang zwischen Ungewissheit und sozialem Vertrauen ist umso schwächer, je höher die Ausgaben für Arbeitslosenunterstützung und aktive Arbeitsmarktpolitik im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt ausfallen. Offenbar seien staatliche Eingriffe also geeignet, die negativen Auswirkungen von Arbeitsplatzunsicherheit auszugleichen, urteilt der Autor.

Christoph Nguyen: Labour Market Insecurity and Generalized Trust in Welfare State Context, European Sociological Review, Januar 2017
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