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HBS Böckler Impuls

Konjunktur: Prognosen auf dem Prüfstand

Ausgabe 01/2017

Bei der Treffsicherheit von Konjunkturprognosen gibt es erhebliche Unterschiede. Einige Institute schneiden systematisch besser ab als andere.

„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen“ – das Bonmot, das wahlweise dem Physiker Niels Bohr, Winston Churchill oder Karl Valentin zugeschrieben wird, mussten sich Konjunkturforscher in Zeiten der großen Wirtschaftskrise ab 2008 regelmäßig vorhalten lassen. Prominente Institute hatten die globalen gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise in den USA dramatisch unterschätzt. Medien und Politiker stellten daraufhin den Sinn von Vorhersagen zur Wirtschaftsentwicklung generell in Frage.

Wie verlässlich Prognosen sind, zeigt eine Untersuchung von Ulrich Fritsche und Artur Tarassow. Im Auftrag des IMK haben der Wirtschaftsprofessor an der Universität Hamburg und sein Mitarbeiter die Vorhersagen deutscher Konjunkturforschungsinstitute zwischen 2005 und 2014 durchleuchtet. Die Evaluation offenbart deutliche Qualitätsunterschiede. Zumindest die besseren Prognosen können Entscheidungsträgern in Politik und Wirtschaft wichtige Orientierung liefern, zeigt die Studie. Seherische Fähigkeiten darf man aber nicht erwarten, machen die Wissenschaftler klar: Sogenannte „Wendepunkte“, also zum Beispiel ein deutlicher Anstieg der Wachstumsraten oder eine merkliche Verlangsamung der Konjunktur, sind auch für die besten Modelle der Fachleute nur schwer vorherzuberechnen.

Fritsche und Tarassow verglichen in ihrer Studie mit modernen statistischen Verfahren die langjährige Prognoseleistung von sieben Forschungsinstituten und der Gemeinschaftsdiagnose (GD), die zweimal im Jahr für die Bundesregierung abgegeben wird. Dabei überprüften die Forscher, wie genau die Vorhersagen für insgesamt elf gesamtwirtschaftlich relevante Größen im Folgejahr ausfielen – von der Entwicklung des Bruttoinlands­produkts über den privaten und öffentlichen Konsum, den Außenhandel und die Investitionen bis hin zu Inflation und Arbeitslosigkeit. Diese Bandbreite an Indikatoren ist deutlich größer als in anderen Prognoserankings. Bei der Ermittlung der Platzierungen legten die Forscher besonderen Wert auf die Kohärenz der Prognosen. Das heißt, wie gut die Prognostiker nicht nur einzelne Indikatoren, sondern auch die aus der Vergangenheit bekannten Beziehungen zwischen den Indikatoren – etwa zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit – vorhergesagt haben.

  • Am häufigsten schaffte es das IMK aufs Treppchen. Zur Grafik

In den zehn untersuchten Jahren gab das IMK fünfmal die beste Prognose ab: 2006, 2012, 2013, 2014 und eben 2008, als die Konjunkturexperten der Hans-Böckler-Stiftung für das Krisenjahr 2009 einen drastischen Einbruch vorhersagten. Es folgen das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI), die zweimal am nächsten an der tatsächlichen Entwicklung lagen. Einmal auf Rang eins schaffte es das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Nie auf einen Spitzenplatz kamen das ifo-Institut aus München, das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und die GD, an der mehrere der untersuchten Institute beteiligt sind oder waren.

Trotz der klaren Tendenz bei den Spitzenplatzierungen wird es bei der Gesamtauswertung eng. Das IMK bleibt vorne, allerdings nur mit minimalem Abstand zum ifo-Institut: Das liegt daran, dass die Konjunkturexperten der Hans-Böckler-Stiftung in zwei Jahren hinten landeten, während sich die Münchner fast immer zwischen den Positionen 2 und 4 bewegten. Im Mittelfeld folgen IWH, RWI und DIW. Auf den drei letzten Plätzen im Gesamtranking rangieren die Gemeinschaftsdiagnose, das HWWI und das IfW.

Vergleiche man die Prognoseleistungen im Zeitverlauf, seien die meisten untersuchten Institute zuletzt treffsicherer geworden, konstatieren Fritsche und Tarassow. Trotzdem bleibe noch Luft nach oben. Die verwendeten statistischen Werkzeuge zur Bewertung von Konjunkturprognosen stellen die Forscher im Internet zur Verfügung – so kann jeder nachrechnen.

Ulrich Fritsche, Artur Tarassow: Vergleichende Evaluation der Konjunkturprognosen des Instituts Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung für den Zeitraum 2005–2014, IMK Study Nr. 54, Januar 2017
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