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HBS Böckler Impuls

Unternehmensführung: Keine Mitbestimmung, keine Transparenz

Ausgabe 18/2016

Das geplante Gesetz zur Verbesserung von Transparenz und Nachhaltigkeit erfasst nur wenige Unternehmen. Firmen, die sich der Mitbestimmung entziehen, fallen meist nicht darunter.

Nur 536 Unternehmen müssten in Zukunft detaillierter über Arbeitsbedingungen, Umweltbilanz und Korruptionsbekämpfung berichten, wenn der Regierungsentwurf zur Umsetzung der europäischen CSR-Richtlinie Gesetz würde. Das geht aus einer Studie des Jenaer Juraprofessors Walter Bayer und seines Mitarbeiters Thomas Hoffmann im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Mehrere Tausend Großunternehmen wären von den erweiterten Transparenzvorschriften nicht erfasst.

Gelten soll das geplante Gesetz lediglich für „kapitalmarkt­orientierte“ Unternehmen ab 500 Beschäftigten sowie Banken und Versicherungen. Nicht einbezogen wären „weite Teile des deutschen Mittelstands, aber auch größte Unternehmen, soweit sie die Möglichkeiten des organisierten Kapitalmarkts nicht nutzen“, konstatieren Bayer und Hoffmann. Unzureichend ist die Reichweite des Regierungsentwurfs auch bei einem anderen Thema: Pflichtangaben zur „Diversität“ der Führungsebene – etwa Alter, Geschlecht oder Bildungshintergrund – würden nur für rund 200 Unternehmen gelten. Durch eine unklare Formulierung im Gesetzentwurf dürften Konzerne unter den Tisch fallen, an deren Spitze eine relativ kleine Holding steht – obwohl darunter Tochtergesellschaften mit Hunderten Beschäftigter und zig Millionen Umsatz angesiedelt sind. Laut Bayer und Hoffmann kann ein solches Ergebnis nicht gewollt sein, eine Präzisierung des Wortlauts sei erforderlich.

Was nach Auffassung von Norbert Kluge und Sebastian Sick, Corporate-Governance-Experten der Hans-Böckler-Stiftung, besonders bedenklich ist: Nicht unter das geplante Gesetz fallen zahlreiche Unternehmen, die sich aufgrund ihrer Rechtsform besonders zugeknöpft geben können und sich zum Teil durch juristische Kniffe auch der Mitbestimmung entziehen. Solche Praktiken bringen mittlerweile mehr als 800.000 Beschäftigte in Deutschland um Mitbestimmungsrechte, rund die Hälfte davon im Einzelhandel.

Die meisten der betreffenden Unternehmen wären auch den neuen Transparenzpflichten entzogen, zeigt die Untersuchung. Das gilt etwa für den Einsatz von Familienstiftungen, wie von Aldi Nord und Süd oder Lidl praktiziert. Auch bei den Unternehmen mit der „mitbestimmungsvermeidenden“ Rechtsform einer „Auslandskapitalgesellschaft und Co KG“ läuft das Gesetz in seiner geplanten Form häufig ins Leere. So müssten die großen Entsorger ALBA Group plc & Co. KG und Rethmann SE & Co. KG ebenso wenig berichten wie die Textilkette Esprit. Drei Viertel der etwa 50 deutschen Unternehmen, die mitbestimmt wären, wenn sie nicht vorher in eine Europäische Aktiengesellschaft (SE) umfirmiert hätten, fallen ebenfalls nicht unter die neuen Transparenzregeln. Das gilt etwa für den Schuhhändler Deichmann SE oder die Hansgrohe SE.

„Solche Transparenzverweigerer dürfen auch nach dem neuen Gesetz ihre Geheimwirtschaft gegenüber Kunden, Mitarbeitern und der gesamten Gesellschaft weiterbetreiben“, kritisieren Kluge und Sick. Werde der Entwurf nicht substanziell geändert, „vertut die Bundesregierung eine Chance, neue Impulse für eine nachhaltige Unternehmensführung zu setzen“. Das Gesetz bleibe dann weitgehend wirkungslos.

Norbert Kluge, Sebastian Sick: Geheimwirtschaft bei Transparenz zum gesellschaftlichen Engagement? (pdf), MBF-Report Nr. 27, November 2016

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