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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: "Viele Unternehmenserben stellen sich nach der Reform besser."

Ausgabe 04/2016

Achim Truger, Professor für Volkswirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, erklärt, wieso die Reform der Erbschaftsteuer keinen Fortschritt darstellt.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2014 Teile des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes für verfassungswidrig erklärt. Im Zentrum der Kritik steht die unverhältnismäßige Privilegierung des Betriebsvermögens. Die Privilegien waren bei der letzten Reform im Jahr 2008 eingeführt worden. Weil befürchtet wurde, dass bei voller Besteuerung die Fortführung vererbter Betriebe und damit Arbeitsplätze gefährdet sein könnten, werden unter bestimmten Bedingungen bei Unternehmensfortführung weitreichende Begünstigungen gewährt. De facto war die Regelung so großzügig, dass es zu einer weitgehenden Verschonung des Betriebsvermögens im Rahmen der Erbschaftsteuer kam. Den Bundesländern, denen das Aufkommen zusteht, entgingen deshalb jährlich mehrere Milliarden Euro. Gleichzeitig wurde die Steuergerechtigkeit ausgehöhlt, weil Erben von extrem hohen Betriebsvermögen gar nicht oder nur sehr gering besteuert wurden, während Erben von viel geringeren anderen Vermögenswerten weitaus stärker herangezogen wurden.

Es war also höchste Zeit für eine Reform. Die Chancen für eine gerechtere und aufkommensstärkere Erbschaftsteuer, die gleichzeitig keine Arbeitsplätze gefährdet, waren eigentlich recht gut. Denn anders als bei vielen anderen politischen Streitfragen besteht in der Wissenschaft weitgehend Einigkeit darüber, dass eine moderate Besteuerung des Betriebsvermögens von etwa zehn bis 15 Prozent unter Belastungsgesichtspunkten unproblematisch ist, sofern sie mit großzügigen Möglichkeiten der Steuerstundung kombiniert wird. Die Erbschaftsteuer auf das Betriebsvermögen kann dann aus den laufenden Erträgen gezahlt werden, ohne dass die Fortführung des Betriebes gefährdet ist. 

Leider hat die Politik die Chance vertan unter dem massiven Druck der Unternehmensverbände, allen voran der Lobby der Familienunternehmen, die gänzlich irrationale Schreckensszenarien verbreitete. Dabei ist der Grundgedanke der Regierungspläne eigentlich einleuchtend: In Zukunft sollen Unternehmenserben nur noch in den Genuss der weitreichenden Steuerverschonung kommen, wenn sie in einer Bedürfnisprüfung nachweisen, dass sie über kein hinreichendes Privatvermögen verfügen. Andernfalls müssen sie die Steuer aus Teilen ihres Privatvermögens begleichen. 

Der mittlerweile an den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat überwiesene Gesetzentwurf wurde jedoch so weit verwässert, dass er de facto einen weitgehenden Fortbestand der Privilegien für das Betriebsvermögen bedeutet: Die Schwelle für die Bedürfnisprüfung liegt mit 26 Millionen Euro so hoch, dass sich für die meisten Unternehmenserben gar nichts ändert. Betriebsvermögen werden zudem in Zukunft pauschal um etwa 30 Prozent geringer bewertet. Familienunternehmen bekommen einen weiteren Wertabschlag von bis zu 30 Prozent eingeräumt, und geplante Investitionen sind von der Besteuerung ausgenommen. Sollte sich eine Steuerzahlung dennoch nicht gänzlich vermeiden lassen, wird voraussetzungslos eine zinslose Stundung für zehn Jahre gewährt. Das NRW-Finanzministerium rechnete bereits in Beispielfällen vor, dass viele Unternehmenserben sich nach der Reform besserstellen würden als im – ja bereits extrem großzügigen – geltenden Recht. 

Noch ist nicht klar, worauf genau man sich im Vermittlungsausschuss einigen wird. Klar ist nur, dass Erben von Betriebsvermögen weiterhin extrem privilegiert sein werden. Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis die Erbschaftsteuer erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landet.

Mehr Informationen

 IMK Report 114, Mai 2016, IMK-Steuerschätzung 2016–2020

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