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HBS Böckler Impuls

Öffentlicher Dienst: Beim Personal ist die Untergrenze erreicht

Ausgabe 04/2016

Arbeitsbedingungen und Entlohnung in der Kommunalverwaltung sind alles andere als rosig. Personalräte kämpfen gegen Arbeitsverdichtung.

„Die kommunale Verwaltung ist nicht mehr per se ein attraktiver Arbeitgeber. Fehlende systematische Personalentwicklung, abgesenkte tarifliche Entgeltstufen und die Befristung von Stellen rächen sich vielfach.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Hans-Böckler-Stiftung und der Gewerkschaft Verdi geförderte Untersuchung der Ökonomen Katrin Schmid und Peter Wilke. Die Wirtschaftsexperten haben zahlreiche Statistiken ausgewertet sowie Interviews mit Vertretern von Kommunalverwaltungen und Personalräten geführt. Ihre Lagebeschreibung zeigt, dass die Sparpolitik an eine Grenze gestoßen ist: Weitere Einsparungen beim Personal seien nur noch „auf Kosten der Funktionsfähigkeit der Verwaltung“ zu realisieren.

Nach zwei von Stellenabbau und Privatisierung geprägten Jahrzehnten arbeiten heute noch gut vier Millionen Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst – zweieinhalb Millionen weniger als 1991. In der Kommunalverwaltung im engeren Sinn, das heißt ohne Kitas, Sozialarbeiter, Feuerwehr oder Stadtwerke, ist derzeit rund eine halbe Million beschäftigt. Attraktiv sind deren Arbeitsbedingungen eigentlich nur in einer Hinsicht, zeigt die Studie: Dank sehr flexibler Arbeitszeiten lassen sich Familie und Beruf besser vereinbaren als anderswo. Dem stehen jedoch diverse Nachteile gegenüber.

Arbeitsbelastung: Viele Städte und Gemeinden haben in der jüngeren Vergangenheit zusätzliche Aufgaben von Bund oder Ländern übernommen. Sei es beim Umweltschutz, Straßenbau oder der Forstverwaltung. Möglichst viele Vorgänge sollten kostengünstig und bürgernah auf die unterste Verwaltungsebene verlagert werden. Das Problem: Häufig bekamen die Kommunen zwar neue Aufgaben, der Personalbestand nahm aber nicht im entsprechenden Umfang zu. Entsprechend berichten Personalräte, dass die Themen Stress, Zeitdruck und Überlastung immer größere Bedeutung gewinnen. Selbst wenn die Behördenspitze trotz aller Sparverordnungen und Haushaltssperren die Einstellung einer neuen Kollegin zugesichert hat, dauert es oft Monate, bis die Stelle dann tatsächlich besetzt ist. Und in dieser Zeit machen die anderen die Arbeit mit. Zudem erhöhen flache Hierarchien den „Verantwortungsdruck“ auf den unteren Ebenen.

Überalterung: Ein Viertel der Beschäftigten in der Kommunalverwaltung ist 55 Jahre oder älter; im gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt liegt der Anteil lediglich bei 17 Prozent. Dahinter verberge sich jedoch kein demografisches Problem, so die Studie, sondern ein hausgemachtes. Es gebe nicht zu viele Ältere, sondern zu wenige Junge. „Es hat eine Ausdünnung der Altersklassen unter 45 Jahren stattgefunden durch eine restriktive Personalpolitik mit jahrelangen Einstellungs- und Wiederbesetzungssperren, einem reduzierten Ausbildungsangebot und der Anwendung von befristeten Arbeitsverträgen.“

Hoher Krankenstand: Sorgen machen Personalverantwortlichen wie Personalräten auch die hohen Krankenstände von bis zu zehn Prozent. Zwar gelinge es häufig, etwa durch betriebliches Eingliederungsmanagement, verträgliche Lösungen für den Einzelfall zu finden. Für ein umfassendes Gesundheitsmanagement, und um die Ursachen der Überlastung zu beseitigen, fehlten jedoch meist die Mittel. Angesichts der Altersstruktur seien viele Ausfälle nicht überraschend. Irgendwann schlage sich der Dauerstress in psychischen Erkrankungen nieder. Wo körperliche Belastungen eine Rolle spielen, wie in Tiefbau- und Grünflächenämtern oder auf Bauhöfen, macht sich das Fehlen der Jüngeren bemerkbar.

Nachwuchssorgen: Die Zeiten, in denen Gemeindeverwaltungen „über Bedarf“ ausgebildet haben, sind lange vorbei. Hinzu kommt, dass die öffentliche Verwaltung zumindest in ländlichen Regionen inzwischen Schwierigkeiten hat, junge Leute zu finden. Insbesondere Fachkräfte fehlen, zum Beispiel Lebensmittelkontrolleure, Gesundheits- oder Computerspezialisten. Finanziell sind Jobs in der Gemeindeverwaltung für gut Ausgebildete nicht interessant genug – der Durchschnittsverdienst liegt bei 2.500 Euro brutto. Zumal neu eingestellte Beschäftigte häufig in niedrigere Entgeltgruppen eingestuft werden als ihre Vorgänger.

Das Fazit der Experten: Notwendig sei „eine ausreichende Ausfinanzierung der Kommunen für einen qualitativ hochwertigen Aufgabenvollzug, zu guten Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten“. Mögliche Rationalisierungsgewinne durch weiteren Technikeinsatz dürften dazu kaum ausreichen. Denn auch wenn die Termine online vergeben werden, werde der Kundenverkehr nicht weniger, und Onlineformulare müssten im Zweifel rascher bearbeitet werden.

 

Mitbestimmung im öffentlichen Dienst

Was für die Privatwirtschaft das Betriebsverfassungsgesetz ist, sind im öffentlichen Dienst die Personalvertretungs- und Mitbestimmungsgesetze der Länder und des Bundes. Sie regeln die kollektive Interessenvertretung der Beschäftigten in der öffentlichen Verwaltung. In Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und auf Bundesebene werden dieses Jahr neue Personalräte gewählt. 

  • Nach vielen Jahren der Sparpolitik fehlt der Nachwuchs. Die Altersstruktur erklärt auch die hohen Krankenstände. Zur Grafik

Katrin Schmid, Peter Wilke: Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitsbedingungen in der kommunalen Verwaltung (pdf), Studie für die Hans-Böckler-Stiftung, Februar 2016

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