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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Ungleichheit macht unglücklich

Ausgabe 04/2016

Wenn die Kluft zwischen den Reichen und dem Rest der Bevölkerung wächst, leidet die Lebensqualität. Das zeigt eine internationale Studie.

Umverteilung findet seit geraumer Zeit von unten nach oben statt: In den meisten Industrieländern ist der Einkommensanteil des reichsten Hundertstels seit den 1980er-Jahren deutlich gestiegen, schreiben Richard V. Burkhauser von der Cornell University, Jan-Emmanuel De Neve von der Universität Oxford und Nattavudh Powdthavee von der London School of Economics. In Deutschland wuchs der Anteil allein zwischen 1998 und 2008 von 10,9 auf 13,9 Prozent. Die Forscher haben untersucht, welche psychologischen Konsequenzen diese Entwicklung hat. Ihre Frage: Kümmert sich die Mehrheit der Bürger überhaupt um das Einkommen einer kleinen Gruppe? Die Antwort: durchaus. Das subjektive Wohlbefinden ist umso geringer, je üppiger das Kuchenstück der Reichsten ausfällt.

Die Studie der Ökonomen beruht auf Daten des Gallup World Poll, einer jährlich stattfindenden Befragung. Ausgewertet wurden Angaben von 69.000 Menschen aus 22 Ländern. Die Teilnehmer sollten unter anderem ihre generelle Lebensqualität auf einer Skala von null bis zehn verorten. Zum anderen wurden positive und negative Empfindungen am Tag vor der Befragung protokolliert. Anteilswerte des reichsten Prozents am steuerpflichtigen Einkommen stammen aus der World Top Incomes Database.

Der Analyse zufolge gibt es einen klaren Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Zufriedenheit: Je mehr die Spitzenverdiener in einem Staat anteilmäßig kassieren, desto schlechter fällt die Einschätzung der Lebensqualität ihrer Landsleute im Schnitt aus – auch dann, wenn individuelle Merkmale wie Alter, Haushaltseinkommen oder Gesundheitszustand und ­gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen wie Arbeitslosigkeit, Inflation oder Bildungsausgaben berücksichtigt werden. Die Stärke dieses Effekts sei erheblich, so die Autoren. Wenn der Einkommensanteil des reichsten Hundertstels um einen Prozentpunkt zunimmt, wirkt sich das nach ihren Berechnungen genauso aus wie ein Anstieg der Arbeitslosenquote um 1,4 Prozentpunkte. Auf positive Emotionen wie Vergnügen oder Genuss scheint soziale Ungleichheit keinen Einfluss zu haben. Negative Emotionen wie Schmerz, Sorgen oder Ärger nehmen mit dem Anteil der Reichsten am Einkommen zu. Die Wissenschaftler haben zusätzlich zu den internationalen auch britische Daten aus einer anderen Quelle ausgewertet und sind dabei zu analogen Ergebnissen gekommen.

Alles in allem zeige sich, dass der Einkommensanteil der Spitzenverdiener einen der wichtigsten Erklärungsfaktoren für internationale Unterschiede in der empfundenen Lebensqualität darstellt. Dass die finanziellen Verhältnisse des reichsten Hundertstels sich spürbar auf das Wohlergehen der übrigen Bevölkerung auswirken, sollte eine angemessene Verteilungspolitik berücksichtigen, empfehlen die Forscher.

  • In Deutschland ist der Einkommensanteil des reichsten Hundertstels allein zwischen 1998 und 2008 von 10,9 auf 13,9 Prozent gestiegen. Zur Grafik

Richard V. Burkhauser, Jan-Emmanuel De Neve, Nattavudh Powdthavee: Top Incomes and Human Well-being around the World, IZA Discussion Paper Nr. 9677, Januar 2016

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