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HBS Böckler Impuls

Gender: Soziale Berufe: Weiblich und schlecht bezahlt

Ausgabe 04/2016

Große Verantwortung, schlechte Bezahlung – das erleben viele Pflegekräfte und Erzieherinnen in ihrem Job. Besonders in Deutschland werden soziale Dienstleistungen schlecht entlohnt.

Im vergangenen Jahr haben Erzieherinnen in Kitas lange für eine bessere Bezahlung gekämpft. Erst nach monatelanger Auseinandersetzung lenkten die Arbeitgeber ein. Dabei sind Forderungen nach höheren Löhnen für soziale Dienstleistungen berechtigt, wie eine aktuelle Analyse von Lena Hipp und Nadiya Kelle vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung zeigt. Die beiden Soziologinnen haben die Bezahlung professioneller Fürsorgearbeit, also Arbeit im Bildungs-, Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegebereich, in 23 verschiedenen Ländern untersucht.

Das Ergebnis: In Deutschland verdienen Fachkräfte in den Bereichen Gesundheit und Pflege weniger als Beschäftigte mit ähnlicher Qualifikation in anderen Berufen. Auch im internationalen Vergleich liegt Deutschland zurück: In kaum einem anderen Land verdienen ausgebildete Pflegerinnen – gemessen am mittleren Einkommen aller Beschäftigten – so wenig wie hierzulande.

In der Erziehung und Bildung fällt die Bezahlung auf den ersten Blick nicht so schlecht aus. Lehrkräfte im Vorschul- und Pri­marbereich in Deutschland verdienen leicht überdurchschnittlich. Allerdings unterscheiden sich die Einkommen in dieser Kategorie stark, da sowohl Erzieherinnen als auch Lehrer da­runterfallen. Während Lehrer in der Primar- und Sekundarstufe durchschnittlich rund 3.600 Euro brutto im Monat bekommen und zum Teil Beamte sind, erhalten ausgebildete Erzieherinnen 2.700 Euro. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen über alle Berufe liegt aktuell bei 3.449 Euro.

Dass soziale Dienstleistungen, gerade wenn es um Hilfstätigkeiten geht, schlecht bezahlt werden, hat vor allem einen Grund: „Der hohe Frauenanteil und die fehlende finanzielle Wertschätzung ‚typisch weiblicher‘ Tätigkeiten sind eine zentrale Erklärung für die niedrigen Löhne im sozialen Dienstleistungssektor“, schreiben die Forscherinnen. „Typische Frauenberufe“ seien nicht weniger fordernd oder beschwerlich, aber „weniger einträglich als männerdominierte Berufe“. In fast allen untersuchten Berufen und Ländern stellten die Wissenschaftlerinnen „einen negativen Zusammenhang zwischen Frauenanteil und relativen Einkommenspositionen“ fest. Das heißt: Je höher der Frauenanteil, desto niedriger sind die Einkommen. Dass Frauen generell schlechter bezahlt werden, zeigen auch Zahlen des Statistischen Bundesamtes: Demnach liegt der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen rund 22 Prozent niedriger als der Verdienst von Männern. Weiterhin stellen die Forscherinnen fest, dass sich die steigende Nachfrage nach professioneller Fürsorgearbeit positiv auf die Einkommen auswirkt – das gilt vor allem im Erziehungs- und Bildungsbereich.

Weitere Faktoren, die die schlechtere Bezahlung in sozialen Dienstleistungen erklären könnten, lassen sich der Analyse zufolge nicht eindeutig benennen. Die Wissenschaftlerinnen weisen darauf hin, dass es weiterer Forschung bedarf, um beispielsweise herauszufinden, welche Rolle der gewerkschaftliche Organisationsgrad spielt. Denn gerade die Beschäftigten im sozialen Dienstleistungssektor befänden sich „in einem Dilemma“ und hätten deshalb „eine äußerst schlechte Verhandlungsposition“. Häufig hätten sie zu den Kranken, Pflegebedürftigen oder den Eltern kleiner Kinder persönliche Bindungen aufgebaut. Höhere Löhne von denjenigen einzufordern, die hilfsbedürftig und schwach sind, oder gar zu streiken, sei schwierig. Vor diesem Hintergrund könnte es von Vorteil sein, wenn die Beschäftigten stärker gewerkschaftlich organisiert sind oder zumindest von kollektiven Lohnabschlüssen profitieren, heißt es in der Studie.

Die Forscherinnen halten eine weitere „finanzielle Aufwertung von Fürsorgearbeit“ für notwendig. Die Ausgaben für betreuende Tätigkeiten müssten gesteigert und so gelenkt werden, dass sie tatsächlich den Beschäftigten zugutekommen. Dazu gehört auch, den Beschäftigten häufiger zu ermöglichen, in Vollzeit zu arbeiten. Dies sei bislang nur eingeschränkt möglich und trage ebenfalls dazu bei, dass die Einkommen im sogenannten Care-Sektor niedriger sind, als sie sein könnten. Auch das gesellschaftliche Bild der Arbeit von Erzieherinnen, Betreuerinnen sowie Alten- und Krankenpflegerinnen müsse sich verändern. Denn selbst bei Hilfstätigkeiten handele es sich um Arbeiten mit hohen emotionalen und kognitiven Ansprüchen und nicht um Arbeit, die „jeder kann“. Und schließlich sollten Fürsorgeberufe auch für Männer attraktiv werden.

  • In Deutschland liegen die Verdienste von Fachkräften für Pflege und Gesudheit unter dem mittleren Einkommen aller Beschäftigten. Grafik als CSV herunterladen Zur Grafik

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