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HBS Böckler Impuls

Handwerk: In der Innung nur mit Tarif

Ausgabe 15/2015

Eine Handwerksinnung darf Unternehmen keine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung anbieten. Ausnahmen sind – anders als bei Arbeitgeberverbänden – nicht rechtens.

Die Innung will erreichen, dass sich einzelne Handwerksbetriebe mithilfe sogenannter OT-Mitgliedschaften (OT = ohne Tarif) von der Tarifbindung befreien können, ohne aus der Innung austreten zu müssen. Dazu soll die Satzung, die bislang nur tarifgebundene Mitgliedschaften vorsieht, geändert werden. Zur Begründung heißt es, Innungen müssten genauso behandelt werden wie Arbeitgeberverbände. In diesen könne man auch Mitglied sein, ohne der Tarifbindung zu unterliegen. Die Handwerkskammer, die die Rechtsaufsicht über die Innung führt, lehnt das ab.

Die Rechtswissenschaftler aus Münster halten die Argumentation der Innung für wenig stichhaltig: Als Körperschaft öffentlichen Rechts unterscheide sich eine Handwerksinnung wesentlich von privatrechtlich verfassten Arbeitgeberverbänden. Somit sei die für Arbeitgeberverbände geltende Rechtsprechung „schon im Ansatz nicht übertragbar“.

Aus Sicht der Gutachter widerspricht eine Aufspaltung in tarifgebundene und tariflose Mitgliedschaften dem Sinn und Zweck der Handwerksordnung. Diese verlange, dass alle Mitglieder der Körperschaft gleich behandelt werden müssen. Die Einführung einer OT-Mitgliedschaft hätte zur Folge, dass „jedes Mitglied für sich und nicht länger die Gesamtheit der Mitglieder über seine Rechte und Pflichten entscheidet“. Der Grundsatz der Gleichbehandlung wäre verletzt. Allenfalls in Ausnahmefällen, wenn es einen sachlich gerechtfertigten Grund gibt, wären Abweichungen von diesem Prinzip denkbar. „Der Wille, sich gesetzlichen Bindungen zu entziehen oder diese zu umgehen, stellt jedoch keinen Sachgrund dar“, schreiben Pieroth und Barczak.

Tariffähigkeit der Arbeitgeber gefährdet

Die Juristen gehen zudem davon aus, dass die Innung gar nicht befugt ist, die Einführung einer OT-Mitgliedschaft auf satzungsrechtlicher Grundlage zu beschließen. Wenn es um Fragen geht, die die formale Struktur sowie den Status der Mitgliedschaft grundsätzlich berühren, seien die „Grenzen der Satzungsautonomie“ überschritten, es gelte höherrangiges Recht. „Die Regelung des Mitgliedschaftsstatus, namentlich grundlegender Mitgliedschaftspflichten, ist Sache des parlamentarischen Gesetzgebers“, so Pieroth und Barczak.

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Innung als Tarifpartner der Gewerkschaften im Bereich des Handwerks auftreten. Diese Aufgabe könnte sie kaum noch wahrnehmen, würde man es den Mitgliedern freistellen, ob sie sich der Tarifbindung unterwerfen oder nicht. Eine solche Zersplitterung würde die Tariffähigkeit der Arbeitgeberorganisation gefährden. Zwar seien die Innungen gerade in der jüngeren Vergangenheit de facto immer weniger an Tarifabschlüssen interessiert gewesen, wie die Juristen anmerken. Dies ändere jedoch nichts daran, dass sie de jure nach wie vor als Tarifpartner agieren können.

Eine Verletzung der Koalitionsfreiheit der Innung sehen die Rechtswissenschaftler nicht. Denn die gesetzlich verankerte Tariffähigkeit der Innungen verfolge ein legitimes übergeordnetes Ziel: Die „Herstellung der Funktionsfähigkeit des Tarifwesens und Verhinderung einer Störung der Verhandlungsparität“.

Bodo Pieroth, Tristan Barczak: Rechtmäßigkeit einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in der Satzung einer Handwerks­innung? (pdf), Rechtsgutachten, HSI-Working-Paper Nr. 5, September 2015

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