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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: BRIC-Investoren besser als ihr Ruf

Ausgabe 12/2015

Wenn Investoren aus China oder Indien die Firma übernehmen, fürchten die Beschäftigten oft das Schlimmste. Doch die Sorge um Arbeitsplätze und Mitbestimmung erwies sich in der Vergangenheit meist als unbegründet.

Die 700 Mitarbeiter zählenden Stahlwerke Thüringen, der Autozulieferer Kiekert mit 3.300 Beschäftigten in Deutschland oder Aluminium Norf mit 2.250 Arbeitnehmern haben eines gemeinsam: Die früheren Eigentümer haben sie an Investoren aus den sogenannten BRIC-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China – verkauft. Diese sind heute an über 1.000 deutschen Firmen beteiligt. Meistens handelt es sich um Neugründungen, aber ein gutes Viertel geht auf Übernahmen bestehender Unternehmen zurück. Was das für Beschäftigungssicherheit, Arbeitsbedingungen und Mitbestimmung bedeutet, hat eine Forschergruppe um die Wirtschaftsgeografen Martin Franz, Sebastian Henn und Jörg Weingarten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht. Ihr Ergebnis: Ängste sind meist unberechtigt. Der befürchtete Stellenabbau sei meistens ausgeblieben, schreiben die Wissenschaftler, und die Mitbestimmung werde in der Regel „als etwas akzeptiert, das in Deutschland dazugehört“.

Die Forscher haben über eine Unternehmensdatenbank betroffene Firmen identifiziert und sich anschließend mithilfe von mehr als 200 Interviews ein Bild von der Lage gemacht. Dabei kamen Manager, Arbeitnehmervertreter sowie externe Experten zu Wort. Insbesondere die Betriebsräte berichteten, dass die Belegschaft fast immer verunsichert ist, wenn eine Übernahme durch vergleichsweise unbekannte Investoren ansteht – besonders dann, wenn die Beschäftigten die Motive des Managements nicht nachvollziehen können oder erst nach Unterzeichnung der Verträge davon erfahren. Gewöhnlich zeige sich aber bald, dass BRIC-Investoren langfristige strategische Ziele verfolgen. Sie investierten hierzulande gerade wegen der qualifizierten Belegschaft und hoher Produktqualität, nicht um Know-how abzugreifen und die Produktion anschließend zu verlagern. Zudem verzichten sie meist auf direkte Eingriffe ins Tagesgeschäft. Die allermeisten Investoren aus BRIC-Staaten verhielten sich relativ behutsam und kooperativ, resümieren die Forscher. In mehreren Fällen waren Investoren bereit, mit deutschen Gewerkschaften längerfristige Beschäftigungs- und Standortgarantien zu vereinbaren.

Zur Mitbestimmung nehmen Investoren aus BRIC-Staaten meistens „eine neutrale bis desinteressierte Haltung ein“, wie Franz und Henn beobachtet haben. Dies bedeute aber nicht, dass sie nicht auf Betriebsräte hören. Gerade weil die neuen Eigentümer keine Erfahrung mit der Mitbestimmung besitzen, könnten Betriebsräte manchmal großen Einfluss nehmen. Eine gewählte Arbeitnehmervertretung zu haben, sei für die Belegschaft auch im Falle einer BRIC-Investition von großem Vorteil. Entscheidend sei, dass sich Betriebsräte möglichst früh einbringen und Unverständnis nicht voreilig als Ablehnung interpretieren.

  • Investoren aus BRIC-Staaten beschäftigen in Deutschland knapp 43.000 Menschen. Zur Grafik

Martin Franz, Sebastian Henn, Jörg Weingarten: Investoren aus den BRIC-Staaten und Arbeitnehmerinteressen in Deutschland, Ergebnisbericht zum Forschungsvorhaben BRICINVEST der Hans-Böckler-Stiftung, Juni 2015

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