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HBS Böckler Impuls

Kündigungsschutz: Regulierung rettet Jobs

Ausgabe 20/2014

Um Jobs zu schaffen, haben diverse Regierungen den Kündigungsschutz gelockert. Zielführend ist das laut einer britischen Studie nicht.

Wenn es um die Bekämpfung von Massenarbeitslosigkeit geht, lautet das Patentrezept der Mainstream-Ökonomie Deregulierung im Arbeitsrecht. Dass diese Medizin zu mehr Beschäftigung verhilft, bezweifeln Jason Heyes und Paul Lewis. Die Wirtschaftswissenschaftler von den Universitäten Sheffield und Birmingham haben die Arbeitsmarktentwicklung in der EU seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise analysiert. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass ein robuster Kündigungsschutz zum Teil zur Vermeidung von Arbeitsplatzverlusten beigetragen hat.

Dass starke Arbeitnehmerrechte schädlich sein sollen, weil sie die Kosten von Einstellungen für Unternehmen in die Höhe trieben, gehöre seit den 1980er-Jahren zu den Standardargumenten in der beschäftigungspolitischen Debatte, schreiben die Forscher. OECD und IWF hätten dem europäischen Kontinent mit seinen angeblich „sklerotischen“ Arbeitsmärkten regelmäßig die angelsächsischen Länder und ihre flexiblen Strukturen als Vorbild empfohlen. Auch die EU-Kommission habe zuletzt besonders Krisenstaaten zu angebotsorientierten Arbeitsmarktreformen gedrängt. Mittlerweile hätten diverse Regierungen den Kündigungsschutz geschwächt – etwa durch längere Probezeiten bei Neueinstellungen, Kürzungen bei Abfindungen, die Einschränkung von Mitbestimmungsrechten oder Klagemöglichkeiten.

Um herauszufinden, wie erfolgversprechend diese Veränderungen sind, haben Heyes und Lewis Daten der EU-Arbeitskräfteerhebung und der OECD ausgewertet. Die OECD misst die Stärke des Kündigungsschutzes in den Industriestaaten mit einem Index, in den Informationen zu den Kosten und Vorschriften bei Kündigungen, zur Regulierung befristeter Beschäftigung und zu den gesetzlichen Vorgaben bei Massenentlassungen einfließen.

Insgesamt hat die Krise zwischen 2008 und 2011 die EU-15-Staaten 3,5 Millionen Jobs gekostet. Länder wie Großbritannien, Irland oder Dänemark, denen die OECD einen schwachen Kündigungsschutz bescheinigt, haben der Analyse zufolge am schnellsten mit Entlassungen reagiert. Wo strengere Vorschriften gelten, blieb die Beschäftigung zunächst vergleichsweise stabil. Statt Personal abzubauen, hätten die Unternehmen in diesen Staaten eher interne Flexibilität ausgenutzt, urteilen die Autoren. Als Beispiel nennen sie Deutschland, wo Kurzarbeit und Arbeitszeitkonten bei der Krisenbewältigung eine zentrale Rolle gespielt haben. Länder mit mittlerem oder hohem Schutzniveau wie Deutschland, Österreich oder Luxemburg hätten auch langfristig am besten abgeschnitten. Dass ein robuster Kündigungsschutz die Folgen schwerer makroökonomischer Schocks nicht unbegrenzt ausgleichen kann, zeige die Entwicklung in Griechenland, Portugal und Spanien. Dort sei es mit Verzögerung zu starken Beschäftigungseinbrüchen gekommen. Verantwortlich dafür seien allerdings die drakonischen Austeritätsmaßnahmen gewesen.

Auch das zum Teil dramatische Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit in der EU steht der Analyse zufolge in keinem erkennbaren Zusammenhang mit dem Kündigungsschutz. 2011 hatten in Großbritannien 21 Prozent der 15- bis 24-Jährigen keinen Job, in Irland 30 Prozent. Dagegen waren die Quoten in Ländern wie Deutschland und Österreich mit unter 9 Prozent und den Niederlanden mit unter 8 Prozent deutlich niedriger – obwohl Entlassungen dort wesentlich strenger reguliert sind.

Dass ein rigider Kündigungsschutz für Normalarbeitnehmer Arbeitgeber dazu verleitet, systematisch andere Beschäftigungsformen auszubauen, können die Ökonomen ebenfalls nicht erkennen. Zwar sei der Anteil der unfreiwillig atypisch Beschäftigten beispielsweise in Spanien, Griechenland, Portugal und Italien erheblich gestiegen. Die größten Zuwächse wies allerdings Irland auf: Dort gab es 2011 knapp 26 Prozent mehr unfreiwillige Teilzeit-Arbeitnehmer und fast ein Drittel mehr unfreiwillig befristet Beschäftigte als 2006. Sozialpolitisch ist das höchst problematisch: In allen EU-15-Staaten gehe atypische Beschäftigung mit einem erhöhten Armutsrisiko einher, so Heyes und Lewis.

Alles in allem habe die Krise den Nutzen staatlicher Schutzregeln auf dem Arbeitsmarkt demonstriert, resümieren die Forscher. Deregulierung werde kaum zu mehr Einstellungen führen, solange die wirtschaftliche Lage turbulent und die Nachfrage schwach bleibt. Stattdessen dürften vor allem Unsicherheit und Erwerbsarmut zunehmen.

  • Länder mit schwachem Kündigungsschutz wie Irland haben am schnellsten mit Entlassungen auf die Krise reagiert. Wo strengere Vorschriften gelten, blieb die Beschäftigung zunächst vergleichsweise stabil. Zur Grafik

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