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HBS Böckler Impuls

Geringfügige Beschäftigung: Minijobs: Zubrot ohne Perspektive

Ausgabe 15/2010

Von Minijobs kann niemand leben und sie bieten auch keine Brücke zu sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Trotzdem subventionieren Staat und Sozialkassen über sieben Millionen dieser Jobs.

Geringfügige Beschäftigung ist in Deutschland alles andere als ein geringfügiges Phänomen: Über sieben Millionen Beschäftigungsverhältnisse werden mit maximal 400 Euro vergütet. Das bedeutet: Gut jeder fünfte Arbeitsvertrag bezieht sich auf einen Minijob. In etlichen Regionen ist sogar jedes dritte private Beschäftigungsverhältnis eines auf 400-Euro-Basis, berichtet WSI-Arbeitsmarktexperte Alexander Herzog-Stein. Im norddeutschen Delmenhorst beispielsweise sind es 34 Prozent, ergab seine Auswertung von Zahlen der Bundesagentur für Arbeit für die Datenbank Atypische Beschäftigung des WSI. Der Anteil der Minijobber ist in ländlichen Gebieten größer als in den Städten und in Westdeutschland deutlich höher als im Osten.

Die Zahl der Minijobber wächst seit Jahren, auch in der Wirtschaftskrise. Die Unternehmen haben in der Krise die kleinen Jobs nicht gestrichen - die geringfügig Beschäftigten arbeiten überwiegend in Dienstleistungsberufen, die vom Konjunktureinbruch wenig betroffen waren, so Herzog-Stein. Außerdem setzte sich der Zuwachs an Minijobs als Nebenverdienst auch in den vergangenen beiden Jahren fort: Zwei Millionen Minijobs werden von Menschen ausgeübt, die noch mindestens einer anderen Beschäftigung nachgehen. Staat und Sozialkassen fördern somit nicht die Beschäftigung vormals Arbeitsloser, sondern Zweitjobs.

"Arbeitsmarktpolitisch findet sich keine Rechtfertigung dafür, eine Beschäftigung im Nebenerwerb zu subventionieren", kritisiert der WSI-Experte. Auch zahlreiche andere Wissenschaftler bemängeln die weitgehende Freistellung der 400-Euro-Jobs von Steuern und Sozialabgaben, ob im Haupt- oder Nebenerwerb. Bereits die wissenschaftliche Evaluation zur Umsetzung der Hartz-Gesetze stellte 2006 klar: Minijobs ermöglichen nur sehr wenigen den Übergang zu einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz.

Das WSI schlägt darum vor, die Minijobs abzuschaffen, indem sowohl das zulässige Einkommen als auch die Stundenzahl bis auf eine Bagatellgrenze abgesenkt werden. Dieser Schritt sei vor allem dann geboten, wenn die Bundesregierung ihre Pläne umsetzen sollte, die Hinzuverdienst-Möglichkeiten zum Arbeitslosengeld II auszuweiten. Höhere Hinzuverdienst-Grenzen werden zu einer weiteren Absenkung des Lohnniveaus führen, warnt das WSI - sofern sie nicht von einer Reform der Minijobs und der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns begleitet werden. Im Sommer 2009 benötigten 1,3 Millionen Beschäftigte zusätzlich zum Arbeitseinkommen ALG II, darunter 614.000 Minijobber.  

  • Geringfügie Beschäftigung ist kein gringfügiges Phänomen: In etlichen Bundesländern ist mehr als jedes vierte Arbeitsverhältnis auf 400-Euro-Basis. Zur Grafik

Alexander Herzog-Stein ist Arbeitsmarktexperte im WSI.

Mehr zum Thema: WSI-Diskussionspapier, Nr. 167 

 

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