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HBS Böckler Impuls

Arbeitszeiten: Überstunden statt Balance

Ausgabe 15/2006

Flexible Arbeitszeiten gelten als kluger Ansatz, um die Anforderungen von Unternehmen mit den privaten Zeitbedürfnissen der Beschäftigten zu versöhnen. Durchaus nicht immer zu Recht.

Angestellte und Beamte, vor allem solche mit Hochschulabschluss, können am häufigsten beeinflussen, wann sie ihr Tagewerk beginnen und beenden. Insgesamt arbeiten 31 Prozent der abhängig Beschäftigten mit einem "selbst gesteuerten" Zeitmodell wie Gleitzeit, Vertrauensarbeitszeit oder Arbeitszeitkonto. Eigentlich sollten sie gute Chancen haben, Erwerbstätigkeit und Privatleben, Job und Familie, unter einen Hut zu bringen. Doch die Praxis sieht oft anders aus, zeigt die Arbeitszeitforscherin Eva Munz in einer aktuellen Analyse. Die Expertin hat eine repräsentative Beschäftigtenbefragung vertieft ausgewertet, an der sie 2003 im Kölner ISO-Institut mitgearbeitet hat. Zentrale Resultate:

  • Selbstgesteuerte Arbeitszeiten kommen besonders häufig vor auf Arbeitsplätzen mit regelmäßigem Zeit- und Leistungsdruck. Ob die Beschäftigten auf diesen Stellen betreuungsbedürftige Kinder im Haushalt haben, wirkt sich hingegen nicht signifikant aus.
  • Die Beschäftigten variieren ihre Arbeitszeiten viel häufiger aus betrieblichen als aus privaten Gründen. 
  • Beschäftigte mit flexiblen Arbeitszeiten leisten öfter Mehrarbeit als ihre Kollegen mit vorgegebenen Anfangs- und Endzeiten - und sie bekommen häufiger keinen Ausgleich dafür.

Selbst gesteuerte Arbeitszeiten bringen den Beschäftigten durchaus nicht automatisch mehr Zeitsouveränität, resümiert die Forscherin. Schon gar nicht "im Kontext steigender Leistungsanforderungen und schrumpfender Belegschaften". Ob die Zeitsouveränitat wirklich steigt, hängt in erster Linie davon ab, wie die Arbeit konkret organisiert ist.

Die Chancen auf einen fairen Interessenausgleich lassen sich aber vergrößern, zeigen die Daten: Hat ein Unternehmen Arbeitszeitkonten, eine verbindliche Arbeitszeiterfassung und klare Ausgleichsregelungen, nimmt die Zeitsouveränität der Beschäftigten zu, während unbezahlte Überstunden seltener anfallen. Dieser Effekt ist besonders stark, wenn ein Betriebsrat existiert, der Ausgleichsregelungen überwachen und den Beschäftigten Rückendeckung bieten kann.

  • Wer seine Arbeitszeiten selbst festlegen kann, der arbeitet häufig mehr. Zur Grafik

Eva Munz: Mehr Balance durch selbst gesteuerte Arbeitszeiten?, in: WSI-Mitteilungen 09/2006.

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