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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Nutzlose Befristungen

Ausgabe 09/2018

Befristete Arbeitsverhältnisse erhöhen angeblich die Jobchancen von Bewerbern, die den Arbeitgeber nicht auf den ersten Blick überzeugen. Empirisch ist das nicht haltbar.

Glaubt man manchen Ökonomen, dann dürfen Arbeitsuchende dankbar dafür sein, dass es befristete Beschäftigung gibt. Das Argument: Wenn Arbeitgeber die Produktivität eines Bewerbers nicht verlässlich einschätzen können, schrecken sie vor einer Einstellung zurück. Befristungen ermöglichen ein längeres „Screening“ und tragen so dazu bei, dass mancher Kandidat überhaupt eine Chance bekommt. Die Soziologen Thomas Biegert von der London School of Economics und Michael Kühhirt von der Universität Köln haben überprüft, ob dieses Argument empirisch stichhaltig ist. Ihrer Analyse zufolge sind Zweifel angebracht.

Biegert und Kühhirt haben im Rahmen ihrer Studie untersucht, ob das Risiko, mit einem befristeten Vertrag vorliebnehmen zu müssen, davon abhängt, unter welchen Umständen Beschäftigte aus ihrem vorherigen Job ausgeschieden sind. Die Idee dahinter: Wenn Beschäftigten individuell gekündigt wird, könnte das mit persönlichem Fehlverhalten zusammenhängen. Daher ist davon auszugehen, dass Betroffene bei potenziellen Arbeitgebern eher auf Skepsis stoßen. Wenn dagegen eine Werksschließung der Grund für einen Jobverlust ist, erscheint solche Skepsis weniger angebracht. Das heißt: Wenn befristete Arbeitsverhältnisse tatsächlich dazu dienen, Bewerbern mit zweifelhafter Eignung länger auf den Zahn zu fühlen, dann müssten Unternehmen dieses Instrument vor allem bei denjenigen einsetzen, die infolge einer individuellen Kündigung auf Stellensuche sind, weniger bei den Opfern von Massenentlassungen.

Die Analyse der Forscher, die auf Daten des Sozio-­oekonomischen Panels aus den Jahren 2000 bis 2013 beruht, zeigt allerdings, dass das nicht der Fall ist: Wenn man andere Faktoren wie das Alter, den Gesundheitszustand oder die Qualifikation herausrechnet, gibt es beim Befristungsrisiko keinen signifikanten Unterschied zwischen von individuellen Kündigungen und von Werksschließungen Betroffenen. Die Analyse nähre Zweifel, dass die Ausweitung befristeter Beschäftigung tatsächlich die Arbeitsmarktchancen von Personen mit unklarer Produktivität verbessert hat, so Biegert und Kühhirt. Statt als verlängerte Probezeit dürften befristete Verträge nach ihrer Einschätzung eher als Flexibilitätspuffer für Wirtschaftskrisen dienen.

Thomas Biegert, Michael Kühhirt: Taking Lemons for a Trial Run, European Sociological Review 2/2018 

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