Projektbeschreibung
Kontext
Die Volkswirtschaftslehre wird dafür kritisiert, dass sie Aspekte wie Wissensbeschränkungen, Unsicherheiten, Macht, Moral, Gender etc. nicht berücksichtigt. Die dadurch bedingte Engführung der wissenschaftlichen Perspektive schlägt sich auch in der akademischen Ausbildung nieder. Dies wirft Fragen auf, wie Studierende später z. B. in Unternehmen oder in der Politik adäquate Problemlösungen erarbeiten sollen? Wie sollen sie ohne das Wissen um alternative Ansätze entscheiden, ob Lösungen problemadäquat sind? Daher wird gerade auch von Studierenden international eine Pluralisierung der ökonomischen Ausbildung gefordert. Seitens der etablierten Ökonomik stößt das aber auf Unverständnis und es wird argumentiert, dass es bereits hinreichend Pluralität gäbe. Vor diesem Hintergrund besteht noch erheblicher Forschungsbedarf: Was bedeutet "plural"? Wie lässt sich das operationalisieren? Und davon ausgehend: Wie plural ist insbesondere die ökonomische Bachelor-Ausbildung in Deutschland wirklich?
Fragestellung
Das Projekt konzentrierte sich auf die Bachelor-Ausbildung in Deutschland und widmete sich den folgenden Fragen:
1. Kraft welcher Kriterien lässt sich Vielfalt in der Lehre beurteilen? Welche Darstellungsform ist geeignet, um Studierenden Orientierung für die Studienwahl zu geben?
2. Wie stellen sich die Bachelor-Studiengänge in Deutschland nach außen dar? Wird dort bereits auf Vielfalt eingegangen?
3. Was sind die Kernfächer im Bachelor? Unterscheiden diese sich je nach Hochschulstandort? Wie plural sind sie ausgerichtet?
4. Welche Rolle spielen die ökonomische Ideengeschichte, Wissenschaftstheorie u. ä. in der volkswirtschaftlichen Bachelor-Ausbildung?
5. Wie sehen die Lehrenden den Zustand der ökonomischen Lehre? Wie stehen sie zur Forderung nach einer Pluralisierung der Ökonomik? Integrieren sie alternative Ansätze in die Lehre? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? Wie sehen ihre Lehrmaterialien aus?
Untersuchungsmethoden
Der Untersuchungsgegenstand konzentriert sich auf zwei Semester in deutschen Hochschulen und differenziert nach zwei miteinander in Wechselwirkung stehende Ebenen. (1) Lehrveranstaltungen: 54 volkswirtschaftliche Bachelorstudiengänge, mit Schwerpunkt auf den Kernfächern (z. B. Mikro- und Makroökonomik etc.) sowie anderen Inhalten (Dogmengeschichte etc.). (2) Lehrende in Deutschland und ihre Lehrmaterialien.
Die Modulhandbücher (1) und Lehrmaterialien (2) wurden einer Dokumentenanalyse (Schlagwortsuche) zugeführt. Die Einstellung der Lehrenden zum Inhalt ihrer Lehre usw. wurde mittels Online-Befragungen untersucht. Die Ergebnisse wurden in einem "Navigationssystem" zusammengeführt, das die Hochschulstandorte gemäß der dort angebotenen Vielfalt im Bachelor darstellt.
Darstellung der Ergebnisse
Ausgehend von einer Verständigung über die Eigentümlichkeiten dieser selbstreferenziellen "Normalwissenschaft" und der Organisationsmerkmale der Post-Bologna-Universität werden zum einen die Ergebnisse einer Befragung der Lehrenden an den 54 volks- und wirtschaftswissenschaftlichen universitären Fakultäten aufgearbeitet. Zudem wird eine Analyse der in den Grundlagenveranstaltungen Einführung in die VWL, Mikro- und Makroökonomik behandelten Lehrinhalte unter Verwendung der Modulbeschreibungen und der verfügbaren Lehrmaterialien vorgenommen. Insgesamt erbringen diese Untersuchungen den Befund, dass die bundesdeutsche Volkswirtschaftslehre einerseits durch eine unhinterfragte Engführung bzw. Standardisierung geprägt ist und andererseits eine durch institutionelle Hemmnisse gedämpfte sowie stark von der Einstellung der Lehrenden determinierte Bereitschaft existiert, diese Engführung in der Lehre zu überwinden.