Projektbeschreibung
Kontext
Die Gesellschaft der Bundesrepublik ist offensichtlich durch weltweite Entwicklungen herausgefordert, universelles Denken im Kontext der Reflexion der eigenen deutschen Geschichte zu entwickeln. Das, was als "Standortnationalismus" diskutiert wird, steht im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit das Gewicht der NS-Zeit für die weitere Entwicklung Deutschlands bedeutsam ist. Dass die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit als Ballast und Störung empfunden wird, ja im Grunde als eine erledigte Aufgabe im Sinne einer Schlussstrichmentalität betrachtet wird, erzeugt angesichts aktueller Aufgaben einen massiven Druck. Die Zielsetzung des Projekts dagegen ist es, in die universitären Curricula (Module zur Geschichte der Erziehung, insbesondere zeitgeschichtliche Erziehung) und in die institutionelle Struktur des Fachbereichs Erziehungswissenschaften an bundesrepublikanischen Universitäten und Hochschulen die Auseinandersetzung mit dem Thema NS-Zeit und Erziehungswissenschaft einzubringen.
Fragestellung
Das Projekt wandte sich ausdrücklich an Studierende der Erziehungswissenschaften im Hauptstudium und im Rahmen des Lehramtsstudiums. Dabei wurde den Studierenden zunächst Gelegenheit gegeben, die Bedeutung der Faktoren Familie, Schule und Gesellschaft für die eigene Positionierung und für die schulische und pädagogische Praxis kritisch zu reflektieren. Dabei wurde die Frage thematisiert, welche Bedeutung die Beschäftigung mit der NS-Diktatur und das Wissen über sie - unabhängig vom Fachunterricht - für den Lehrberuf und die Pädagogik überhaupt hat. Die Studierenden haben zu von ihnen selbst ausgewählten Fragestellungen eigenständige Forschung betrieben. Das übergreifende Ziel des Lern- und Forschungsprojekts war es, zentrale Fragen von Bildung und Erziehung überhaupt im Zusammenhang mit dem sogenannten "Überwältigungsverbot" sowohl auf die Geschichte der Pädagogik als auch auf die Pädagogik in der NS-Zeit zu beziehen.
Untersuchungsmethoden
Die Befragung der Studierenden fand mittels Fragebögen statt, die geschlossene und offene Fragen enthielten. Dabei wurde die mehrfache Erhebung mit der Auswertung von Daten eng verknüpft. Die Fragebogen und auch ihre Auswertung wurden ausführlich diskutiert und mehrfach überarbeitet, um eine dialogische Interaktion zwischen "Erforschten" und der Forschung zu ermöglichen. Die Fragebogenaktion diente nicht nur der Erhebung von Daten, sondern verfolgte auch pädagogische Ziele. Die Studierenden wurden mit der Erfahrung des eigenen Nicht-Wissens produktiv konfrontiert ("sokratische Methode"). So konnte zu ihrer kritischen Selbsteinschätzung beigetragen und Interesse am notwendigen Wissen über die NS-Zeit gefördert werden. Bei der Evaluierung ergab sich: Über 90% begrüßten diese Methode und unterstützten den Vorschlag, solche Fragebögen auch weiterhin einzusetzen.
Darstellung der Ergebnisse
Es wurden 34 Vortragskonzepte als PPP-Folien zu den vier Themenbereichen NS-Verbrechen/ NS-Ideologie/ NS-Pädagogik und "Nach 1945" entwickelt und mit 95 Video-Kurz-Ausschnitten (2-3 Minuten, sogenannte "Schlüsselszenen") nach der mehrfachen Erprobung in Vorlesungen auf eine neu eingerichtete Homepage gestellt. Die Evaluierung ergab eine über 90%ige Zustimmung zur gesamten Vorlesungskonzeption. Die Ergebnisse der Umfrage zum Wissen und zu den Zugängen (ca. 300 Befragte aus der Vorlesung) ergab, dass Dimensionen der NS-Verbrechen über die bekannte Zahl der 6 Millionen ermordeten Juden hinaus kaum oder gar nicht präsent waren, insbesondere auch im Hinblick auf die überfallenen Länder. Zudem ergab sich, dass die Kritik an der Schule differenziert ausfiel: Die Frage war nicht, ob die NS-Zeit zuviel oder zuwenig behandelt wurde, sondern für die Studierenden war die entscheidende Kritik, wie das geschah: Zu oberflächlich, zu wenig engagiert, zu wenig die Schülerschaft beteiligend.