Forschungsprojekt: Analyse und Bewertung von Lehrtätigkeiten

an Grundschulen, Berufsschulen, Gymnasien und Gesamtschulen

Projektziel

Die Studie liefert Anregungen für eine diskriminierungsfreie Eingruppierung von Lehrtätigkeiten. Sie analysiert die Arbeitsanforderungen an der Sekundarstufe II in Berufsschulen, Gymnasien und Gesamtschulen als einen männerdominierten Bereich einerseits und Grundschulen als einen frauendominierten Bereich andererseits mit einem anerkannt geschlechtsneutralen Arbeitsbewertungsverfahren.

Projektbeschreibung

Kontext

Lehrtätigkeiten sind in Deutschland geschlechterbezogen segmentiert. Unterschiedliche Bildungsbereiche sind eher weiblich oder männlich konnotiert und werden deshalb entweder Frauen oder Männern zugeschrieben. So sind Grund- und Sonderschulen "Frauendomänen" mit hohem Teilzeitanteil, während an Gymnasien und Berufsschulen deutlich mehr vollzeitbeschäftigte Männer arbeiten.

Mit den genannten Berufsrollenstereotypen ist zugleich eine Wertehierarchie verbunden: Die Arbeit an Grund- und Sonderschulen wird geringer wertgeschätzt als die Arbeit an Gymnasien, und zwar weil sie einen höheren erzieherischen Anteil aufweist und überwiegend Eigenschaften und Fähigkeiten verlangt, über die Frauen anscheinend "von Natur aus" verfügen. Diese Qualifikationen werden jedoch in professionellen Zusammenhängen gering geschätzt. Dies spiegelt sich auch in der Bezahlung der Lehrkräfte wieder. Es gilt das Prinzip "Kleine Kinder - kleines Gehalt, große Kinder - größeres Gehalt".

Fragestellung

Die Studie fragt danach, welche anforderungsbezogene Wertigkeit die Tätigkeiten von Lehrkräften an Grundschulen einerseits und in der Sekundarstufe II an Berufsschulen, Gymnasien und Gesamtschulen andererseits aufweisen. Daraus lassen sich Hinweise darauf ableiten, welche Eingruppierung sowohl anforderungsgerecht als auch diskriminierungsfrei wäre.

Im einzelnen werden folgende Fragestellungen bearbeitet:

1. Welche Aufgaben sind typisch für Lehrkräfte an Grundschulen und in der Sekundarstufe II an Berufsschulen, Gymnasien und Gesamtschulen?

2. Welche Anforderungen resultieren aus diesen Aufgaben im Hinblick auf Kenntnisse und Fertigkeiten, Verantwortung, soziale Kompetenzen sowie physische und psychische Anforderungen?

3. Wie können die Anforderungsbereiche (und innerhalb dieser die einzelnen Anforderungen) gewichtet werden?

4. Welche Werte ergeben sich für die unterschiedlichen Arbeitsplätze von Lehrkräften als Ergebnis des Arbeitsbewertungsverfahrens?

Untersuchungsmethoden

Darunter befanden sich 8 Arbeitsplätze an Grundschulen sowie 7 an Berufsbildenden Schulen, Gymnasien und Gesamtschulen.

Die Analyse erfolgte mit Hilfe eines Fragebogens zur Tätigkeitsanalyse. Er basiert auf dem als diskriminierungsfrei anerkannten Verfahren ABKABA (Analytische Bewertung von Arbeitstätigkeiten nach Katz und Baitsch) und wurde für die Anwendung im Schulbereich entsprechend angepasst. Die Lehrkräfte wurden in Gruppeninterviews zunächst über das Projekt informiert. Anschließend wurden gemeinsam die Tätigkeiten mit ihren Zeitanteilen erfasst, bevor die Fragebögen zur Analyse der Anforderungen ausgefüllt wurden.

Von wissenschaftlicher Seite erfolgte die Bewertung der Anforderungen und die Ermittlung des anforderungsbezogenen Arbeitswerts, ungewichtet und nach vier Gewichtungsvarianten. Die Entwicklung der Methodik wurde von einer Gruppe von Expertinnen aus dem Schulbereich begleitet.

Darstellung der Ergebnisse

Die Anforderungsanalyse und -bewertung zeigte keine nennenswerten Unterschiede im Niveau der intellektuellen Anforderungen bei den untersuchten Lehrtätigkeiten. Im physischen Bereich lagen die Anforderungen für Grundschullehrkräfte etwas höher.

Unterschiede zeigten sich bei psycho-sozialen Belastungen: Lehrtätigkeiten an Grundschulen stellen durch erschwerte Interaktion und persönliche und unmittelbare Konfrontation mit Problemen von Kindern und ihren Familien höhere Anforderungen. Auch bei der Bewertung unterschiedlicher Dimensionen von Verantwortung erreichten die Tätigkeiten an Grundschulen höhere Punktwerte als die Tätigkeiten der Sekundarstufe II, insbesondere bei der Verantwortung für die Entwicklung und das Wohlergehen der Schülerinnen und Schüler.

Das Wertigkeitsverhältnis zwischen den Tätigkeiten an den untersuchten Schularten änderte sich auch bei Anwendung der verschiedenen Gewichtungsvarianten nicht grundsätzlich.

Zusammenfassend lässt sich das Ergebnis festhalten, dass die Bewertung von Lehrtätigkeiten mittels eines geschlechtsneutralen Verfahrens der Arbeitsbewertung zu einer höheren und geschlechtergerechteren Wertschätzung der Lehrtätigkeit an Grundschulen führt.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Dr. Andrea Jochmann-Döll

Bearbeitung

Dr. Karin Tondorf

Kontakt

Dr. Michaela Kuhnhenne
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
michaela-kuhnhenne@boeckler.de

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen