Projektbeschreibung
Kontext
Wenn über die Zukunft von Arbeit und Arbeitsbeziehungen diskutiert wird, ist die IT-Industrie häufig Beispiel für eine richtungsweisende Branche. Sie gilt als führend bei der Realisierung neuer Unternehmenskonzepte und neuer Formen der Arbeitsorganisation. Die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen, so unsere Ausgangshypothese, erfährt unter diesen Bedingungen eine grundlegende Veränderung. Strukturprägend für die Entwicklung der Arbeitsbeziehungen in der IT-Industrie - so die Ergebnisse unserer Vorgängerstudie - ist aber nicht die Erosion der Institutionen, sondern vielmehr ein "Formwandel" im Inneren des Systems sozialer Austauschverhältnisse. Ins Zentrum der Arbeitsbeziehungen in der IT-Industrie tritt das individuelle Interessenhandeln der Beschäftigten.
Fragestellung
Der Anspruch des Projekts besteht darin, Arbeit und Arbeitsbeziehungen "von unten nach oben", also ausgehend von den Erwartungen und Interessen der Beschäftigten und deren Handeln zur Durchsetzung der Interessen zu analysieren. Wichtige Fragen dieser Untersuchung sind:
- Welche Interessen bestimmen das Interessenhandeln der Beschäftigten in der IT-Industrie?
- Wie versuchen die Beschäftigten ihren Interessen Gehör zu verschaffen und sie durchzusetzen?
- Welche Möglichkeiten und Grenzen des Interessenhandelns erfahren die Beschäftigten?
- Welchen Einfluss haben die institutionellen Strukturen kollektiver Interessenvertretung auf das individuelle Interessenhandeln einzelner Beschäftigtengruppen?
- Unterminiert die Bedeutungszunahme des individuellen Interessenhandelns das Prinzip der kollektiven Interessenregulation? Unter welchen Bedingungen gelingt eine neue Synthese?
Untersuchungsmethoden
Die Analyse basiert auf sechs Fallstudien und begleitenden Expertengesprächen. Insgesamt wurden ca. 80 Interviews geführt. Den Kern der Analyse bilden Expertengespräche und Beschäftigteninterviews in den Fallbetrieben, die mit Vertretern des Managements, der betrieblichen Interessenvertretung und mit Beschäftigten geführt wurden.
Im Mittelpunkt der Unternehmensfallstudien standen Intensivinterviews mit Beschäftigten nach einem eigens entwickelten methodischen Verfahren. Interviewt wurden Entwickler, Berater, Servicetechniker, Rechenzentrumsfachleute, Vertriebsmitarbeiter, Mitarbeiter aus den administrativen Bereichen sowie untere Führungskräfte. In die Auswertung gingen insgesamt 39 Interviews ein. Die Erhebungen fanden im Zeitraum zwischen Mitte 2003 und Anfang 2004 statt.
Darstellung der Ergebnisse
Der Absturz an der Börse seit Mitte 2000 leitet eine neue Phase der Entwicklung der IT-Industrie ein und mündete in eine strategische Wende im Umgang mit den Mitarbeitern.
Unter dem Eindruck dieser Zeitenwende haben die IT-Beschäftigten eine Neuorientierung hinsichtlich ihrer Interessenidentität vollzogen. Während die Leitfigur des Arbeitnehmers in der vorherrschenden Kultur der Unternehmen nach wie vor ein marginalisiertes, bisweilen geduldetes oder oft auch bekämpftes Dasein fristet, hat er sich zur bestimmenden Leitvorstellung für die Mitarbeiter entwickelt.
Diese Neuorientierung bildet die Grundlage für einen Suche nach Formen der gemeinsamen Interessenartikulation und Interessenwahrung auf Seiten vieler Beschäftigter. Dabei ist die Bildung eines Betriebsrats für viele Beschäftigte ein wichtiges Moment eines Modells gemeinsamer Interessendurchsetzung, keinesfalls aber die Lösung aller Probleme.